Von oben herab: Denn die deutsche Swiss, sie fliegt
Stefan Gärtners neue Geschichte vom fliegenden Robert
Wenn Corona niederbraust,
Virensturm die Welt durchsaust,
Bleiben Mädchen oder Buben
Hübsch daheim in ihren Stuben. –
Robert aber dachte: Nein!
Das muss draussen herrlich sein! –
Und er buchte, ohne Schiss,
Einen Fernflug mit der Swiss.
Hui, wie pfeift der Sturm und keucht,
Dass der Baum sich niederbeugt!
Die Maschine steil im Wind,
Und der Robert fliegt geschwind
Durch die Luft so hoch, so weit;
Niemand hört ihn, wenn er schreit.
Durch die Wolken stösst er schon,
Ja, das hat er jetzt davon.
Schrei und Robert fliegen dort
Durch die Wolken immerfort,
Mit der Maske vorm Gesicht:
Nein, den Robert sieht man nicht.
Und das Geld, das, streng gecheckt,
In der lieben Swiss drinsteckt,
Sieht man auch nicht, ist vom Staat,
Der ja reichlich davon hat.
So ein Flugzeug, das ist teuer,
Fehlt auch eine Flugzeugsteuer,
Und steht so ein Jumbo still,
Kostet es sofort sehr viel.
Wessen Geld? ist nicht die Frage,
Nüchtern klärt der Chef die Lage:
Steht mein ganzes Flügelzeuch,
Komme, bitte, Geld von euch.
Denn ein Flugzeug brauchen alle,
Etwa Robert. Und im Falle
Der Sanierung, wenn wir stehn,
Kann es schliesslich weitergehn.
Doch das kostet, ohne Ende! –
Leider, an die Dividende
Kommt, was man sich denken kann,
Niemand mehr so recht heran.
Liegt halt schon im Banktresor,
Hängt ein grosses Schloss davor,
Denn verdient ist nicht gestohlen,
Darf sich niemand wiederholen!
Wenns jetzt klemmt mit Kapital,
Sagen Eigner: Mir egal,
Und selbst werte Eignerinnen
Bleiben hier vollauf bei Sinnen.
Überhaupt, dass jetzt der Staat
Bei uns was zu sagen hat!
Da sei Gott (oder Herr Spohr)
Bitte sehr doch sehr davor!
Wichtig sind die Unternehmen,
Die uns alle Sorgen nehmen
Vor Transportkalamität –
Hilft man nicht, ist es zu spät.
Und die Schweiz etwa hilft gern,
Denn das weiss man auch in Bern,
Dass zu einer Wirtschaftsblüte
Jets gehören erster Güte. –
Dumm nur, und das lässt sich denken,
Dass sie Hilfe nicht verschenken
In der akkuraten Schweiz.
Andernorts nennt man das «Geiz»:
«Die vom Bund verbürgten Gelder
Dürfen nicht auf andre Felder,
Und Gewinn muss, bitte sehr,
Gleich retour, prioritär.»
Ja, so kennt man ihn, den Staat,
Wenn er einen Rochus hat,
Auf das Unternehmertum,
Auf Profit und Macht und Ruhm.
Wo soll das denn, bitte, enden,
Wenn sogar die Dividenden
Nicht mehr sofort dahin gehn,
Wo sie keiner mehr kann sehn!
Wenn Verluste plötzlich jeden
(Jede) treffen, nicht zu reden
Von Francioni, Spohr und Klühr!
Nein, da sind wir nicht dafür.
Man wird sehn, wohin das führt. –
Robert fühlt sich nicht berührt,
Denn die deutsche Swiss, sie fliegt,
Nach wie vor fast unbesiegt.
Und wo sie der Wind hintragen
Wird, das weiss kein Mensch zu sagen.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.