Patente auf Leben: Erfindungen, die keine sind
Ohne Gentechnik entstandene Pflanzen und Tiere sollen nicht mehr patentiert werden dürfen. Ein Erfolg?
Patente schützen Erfindungen. Doch nicht nur Menschen, die ganze Natur erfindet ständig: Lebewesen verändern sich, mutieren, passen sich an veränderte Bedingungen an. Sogenannte Unkräuter werden resistent gegen das Gift, das sie bekämpfen soll, oder gegen einen Pilz, der sie krank macht. Aber auch der Pilz entwickelt sich, kann die Resistenz wieder durchbrechen. Die Pflanzenzüchtung nutzt und beschleunigt seit Jahrtausenden solche evolutionären Prozesse. Noch viel stärker greift sie ein, wenn sie gentechnische Methoden anwendet.
Vom Verbot, auszusäen
Folgt daraus, dass Lebewesen menschliche Erfindungen sein können? Seit Ende der neunziger Jahre lässt das Europäische Patentamt (EPA) Patente auf Pflanzen und Tiere zu. «Damals hatte man Angst vor einem Vorsprung der USA in der Gentechnik», erklärt die Agrarwissenschaftlerin und Saatgutspezialistin Eva Gelinsky. «Man wollte den Firmen Patentschutz geben, damit sie in diesen Bereich investieren.» Ob gentechnisch veränderte Lebewesen Erfindungen sind, darüber lässt sich hochphilosophisch streiten. Seit den nuller Jahren melden Firmen jedoch zunehmend auch Patente auf Pflanzen an, die gar nicht gentechnisch, sondern mit herkömmlichen Züchtungsmethoden entstanden sind. Steht eine Pflanze einmal unter Patentschutz, kann der Patentinhaber anderen die Züchtung mit ihr verbieten, Landwirtinnen dürfen selbst geerntetes Saatgut nicht aussäen. Das Absurde daran: Laut den europäischen Patentgesetzen sind Patente auf «nicht-technische», «im Wesentlichen biologische» Züchtungen eigentlich nicht zulässig.
Trotzdem versuchen vor allem die grossen Biotechkonzerne immer wieder, solche Patente zu bekommen – Spitzenreiter bei den Anmeldungen ist der deutsche Bayer-Konzern, der sich 2016 Monsanto einverleibt hat. Dabei gehen sie abenteuerliche Wege, um Züchtungsverfahren möglichst «technisch» darzustellen: Sie wenden herkömmliche Methoden an, aber ergänzen sie mit möglicherweise unnötigen Hightechvorgängen. Oder sie versuchen, das bereits seit fünfzig Jahren geläufige Verfahren, mit Chemikalien Mutationen auszulösen, als neu zu verkaufen. Die niederländische Firma Keygene möchte sich etwa den Zugriff auf alle so veränderten Maniokpflanzen sichern – auf eine Nutzpflanze also, die im globalen Süden grundlegend für die Ernährung ist. Bayer beansprucht sogar ein Patent auf Getreidesetzlinge, die höhere Erträge abwerfen, weil sie vorübergehend in einer kalten Flüssigkeit gelagert wurden: Das ist keine Erfindung, nicht einmal eine Züchtungsmethode, sondern, wie Bayer selbst schreibt, eine «glückliche Entdeckung».
Das internationale Netzwerk «Keine Patente auf Saatgut!» wehrt sich seit Jahren gegen Patente auf nichtgentechnische Züchtung. Auch die Schweizer NGOs Public Eye, Swissaid und Pro Specie Rara beteiligen sich, denn auch die Schweiz ist Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens, am EPA erteilte Patente sind hierzulande gültig.
Jagd nach Schlupflöchern
Jetzt kann der Widerstand einen Erfolg vermelden: Die Grosse Beschwerdekammer des EPA hat entschieden, dass es keine Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung mehr geben soll. Eva Gelinsky ist allerdings skeptisch: «Die Konzerne werden weiterhin Schlupflöcher finden. Sie haben eigene Rechtsabteilungen dafür.» Es brauche endlich eine klare Grenzziehung, was unter «technische» Züchtung falle und was nicht. Darüber hinaus sei eine Reform des EPA nötig: «Das Amt finanziert sich über Patentanträge, das führt dauernd zu Interessenskonflikten. Und es ist keiner demokratischen Kontrolle unterstellt.»
Dieser Kampf geht alle etwas an, die essen wollen: Lebensgrundlagen gehören nicht patentiert und privatisiert.