LeserInnenbriefe

Nr. 23 –

Öl ins Feuer

«Anti-Lockdown-Proteste: Herzerwärmende Verschwörungstheorien» , «Coronatheorien: Das Virus als Rache der Natur?» , WOZ Nr. 21/2020

Mich haben diese beiden Artikel sehr geärgert. Wir haben die WOZ abonniert, weil wir unter anderem die sonst sehr guten Recherchen schätzen, die versuchen, sich tief mit Hintergründen und Zusammenhängen auseinanderzusetzen, anstelle von «Meinungsmache». Diese beiden Artikel sind allerdings so reisserisch geschrieben und setzen verschiedene einzelne Aussagen so unvorteilhaft und ohne Kontext zusammen, dass sich der Eindruck aufdrängt, dass die Autorinnen sie auf ihren eigenen Vorurteilen aufgebaut haben.

Natürlich ist es schwierig, dass sich auch Rechtsextreme an diesen Demos einfinden! Allerdings gibt es auch viele Rechte, die sich für Umwelt- und Naturschutz, ökologischen Landbau et cetera einsetzen. Soll ich als politisch korrekte Linke nun dagegen sein, weil sie dafür sind? Und natürlich sind aktuell die verschiedensten Theorien und Meinungen, von extrem bis völlig leugnend, auf allen Kanälen zu finden, und dass sich auch gefährliche Mischformen finden, ist leider auch kein neues Phänomen. Dem gegenüber wachsam und kritisch zu sein, ist wichtig.

Aber wenn Aussagen wie «Für mich gehört der Tod genauso zum Leben wie die Geburt» als zynisch interpretiert werden, fehlen vielleicht die Fakten, wie hoch das Durchschnittsalter der Coronatoten bei uns ist und dass die aktuelle Zählweise der Toten völlig unwissenschaftlich ist (weil sie nicht zwischen «gestorben am Coronavirus» und «gestorben mit Corona» unterscheidet). Solche Ungereimtheiten machen vielen Menschen Angst und sind Öl ins Feuer aller möglichen Theorien. Und ja, da «mutet das anhaltende Versammlungsverbot angesichts der vollen Bars, Märkte und Läden (…) seltsam an».

Stefanie Hacker, Laupersdorf

Eine eigene Meinung!

LeserInnenbrief in WOZ Nr. 21/2020

Liebe Tanja Manz, vielen herzlichen Dank für Ihren Brief – er spricht mir ganz aus dem Herzen! Nachdem ich in der WOZ das Wort «Verschwörung» so oft – nein: zu oft – las, kam Ihr Leserinnenbrief wie gerufen. Und ich habe das grosse Bedürfnis, Folgendes zu ergänzen: Da finden seit Wochen grosse Demos in Deutschland statt (auch kleinere in der Schweiz); da schwelt unter der Oberfläche ein Skandal, nachdem ein internes Dokument des Bundesinnenministeriums (BRD) an die Öffentlichkeit rutschte («Kollateralschäden des Lockdowns sind viel grösser als der Nutzen»); da wird von offiziellen Seiten publik, dass von tausend «Coronainfizierten» weniger als fünf sterben (grossteils über achtzig und mit einer schweren Erstkrankheit, wo ist also die grosse Gefahr?); gegen die Coronamassnahmen werden Petitionen lanciert und wenden sich ParlamentarierInnen an den Bundesrat. Und was ist in der WOZ davon zu lesen? Wenig bis nichts, keine Diskussion.

Liebes WOZ-Kollektiv, zu erkennen, dass auch ihr dermassen in Schubladen versunken seid, erschreckt und macht traurig. Denn ich dachte immer, ihr steht für Meinungsvielfalt ein. Nun, die Krise ist ja noch nicht zu Ende, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Dank des Recherchierfonds wird die WOZ wieder zur alten Stärke kommen! Ansonsten kann auch ich mein über zwanzigjähriges Abo nicht erneuern.

André Moosmann, Basel

Irrsinnige Atomrüstung

Die neun Atomwaffenstaaten setzten letztes Jahr 73 Milliarden US-Dollar für Unterhalt und Ausbau ihrer Atomwaffen ein, das sind 138 699 Dollar pro Minute. Das lese ich im eben veröffentlichten Bericht «Enough is Enough: 2019 Global Nuclear Weapons Spending». Die höchsten Ausgaben leisten sich die USA mit 35,4 Milliarden. Dazu kommen noch die übrigen Rüstungsausgaben. 2019 wurden weltweit 1,92 Billionen Dollar ausgegeben, 3,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Eine irrsinnige Summe! Diese Mittel fehlen beim nötigen Aufbau einer gerechteren Welt. Zum Vergleich: Für Entwicklungshilfe werden pro Jahr rund 150 Milliarden US-Dollar bereitgestellt (gemäss OECD). Das sind insgesamt rund 7,9 Prozent aller Rüstungsaufwen­dungen.

Es ist jetzt dringend, dass es mit dem Uno-Atomwaffenverbotsvertrag­ vor­wärtsgeht. Unverständlich, dass der Bundesrat noch zögert. Ican, die Internatio­nale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen mit Sitz in Genf, hat sich für das Zustandekommen dieses Uno-Vertrags eingesetzt und dafür 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. Der Vertrag hat schon zwei Drittel der fürs Inkrafttreten benötigten Ratifikationen (34 von 50, darunter Österreich). Die Städte St. Gallen, Luzern, Bern, Genf und Zürich fordern vom Bundesrat, dass er den Beitritt der Schweiz endlich an die Hand nimmt. Das entspricht auch dem Parlamentswillen. Der Bundesrat aber will das Dossier nicht vor Ende 2020 eröffnen. Wie ganz anders könnte die Welt aussehen, wenn Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung oberstes Ziel der Politik wären.

Arne Engeli, Rorschach