Trailrunning: Über Wanderwege fliegen

Nr. 33 –

Trailrunning ist im Trend: Bereits richten sich Tourismusdestinationen wie Davos, Grindelwald oder Zermatt an BergläuferInnen. Doch was ist daran so faszinierend, steile Wanderwege hochzurennen? Unser Autor, selbst ein Trailrunner, wollte es genauer wissen.

  • Laufen im Angesicht des Schmadrigletschers: Wer will da noch am urbanen Aareufer hin- und herjoggen?
  • Rauf durch alle Gebirgszonen: Dan Patitucci auf seiner Lieblingsstrecke im Lauterbrunnental.
  • Elaborierte Ausrüstung für lange Distanzen: Kathrin Götz tankt Flüssigkeit.
  • «Und dann geht es noch fünfzehn Stunden weiter»: Kathrin Götz beim Aufstieg auf den Weissenstein.
  • Pionierin des Trailrunnings: Janine Patitucci sucht in den Bergen meditative Einsamkeit.

Es gibt diesen Moment beim Trailrunning, wenn ich schon 1000 oder 2000 Höhenmeter in den Oberschenkeln und zwanzig Kilometer hinter mir habe: Wenn der Wanderweg endlich etwas flacher wird, ich um einen Felsvorsprung laufe und sich vor mir plötzlich die Weite der Berge öffnet, der Blick auf schneebedeckte Viertausender, saftig grüne Wiesen und Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte flattern – dann wird mein Körper plötzlich federleicht; alles wird elastisch und mühelos. Ich beginne zu fliegen.

Noch aber ist dieser Moment in weiter Ferne. Noch eile ich verschwitzt und mit schweren Beinen hinter Dan und Janine Patitucci über lauschige Wiesen in die Höhe. Die beiden gelten als PionierInnen des Trailrunnings und nehmen mich auf eine ihrer Lieblingsrouten mit. Sie nennen sie den «Stechelberg Obersteinberg Classic». Hier im Berner Oberland, ganz am Ende des Lauterbrunnentals, laufen wir an blühenden Orchideen vorbei, treffen auf einen einsamen Steinbock und traversieren dann unterhalb der immer kleiner werdenden Gletscher von Äbeni Flue, Mittaghorn und Breithorn zuerst zum eiskalten Oberhornsee und dann auf die gegenüberliegende Seite zum Obersteinberg – an den Füssen leichte Trailrunningschuhe, ein dünnes Stirnband um den Kopf, auf dem Rücken ein kleiner, kompakter Rucksack mit dem Nötigsten für ein paar Stunden in den Bergen: Wasser, Nüsse, Datteln, ein Sandwich, ein Laufpullover und eine Rettungsdecke.

«Das Wetter ist heute fantastisch», schwärmt Dan Patitucci, während er zur frisch eingeschneiten Jungfrau emporblickt und sieht, wie die munteren Wolken um die Gipfel tanzen. «Genau dafür komme ich in die Berge. Von solchen Tagen träumt jeder Trailrunner. Und jeder Fotograf.»

Die Patituccis gehören zu den wohl bekanntesten BergsportfotografInnen der Welt. Seit über zwanzig Jahren sind sie in den Bergen unterwegs und inszenieren die Natur – und in ihr die SportlerInnen. Mit ihren Bildern und einem 2018 erschienenen Buch, das dreissig Trailrunningrouten in der Schweiz vereint und das Potenzial zum Standardwerk hat, haben sie das minimalistische Laufen in den Bergen entscheidend mit popularisiert.

Janine und Dan Patitucci waren wohl auch zur richtigen Zeit in der richtigen Branche. Als sie sich 1999 in Kalifornien kennenlernten und ihre Fotografieausbildung abschlossen, erschien gerade die erste Ausgabe des US-amerikanischen «Trailrunner Magazine». Kurze Zeit später waren ihre Bilder schon auf dessen Titelseiten. «Dabei war Trailrunning für uns ursprünglich nur ein Mittel zum Zweck», erklärt der fünfzigjährige Dan Patitucci, der in Kalifornien aufwuchs und als junger Kletterer oft stundenlange Märsche bis zu den Felsen machen musste. Das ging laufend einfach schneller und effizienter als gehend.

Dabei bewegen sich Menschen schon seit Urzeiten laufend durchs Gelände. Ob zum Spass oder eher nicht: Früher nannte sich das einfach noch nicht Trailrunning. Kurz nach dem Aufkommen organisierter Marathonläufe Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten «Querfeldeinläufe» veranstaltet – zwischen 1912 und 1924 war Querfeldeinlauf gar eine olympische Disziplin. Definitiv hob der Trend zum modernen Freizeitlauf über Stock und Stein aber erst vor etwas mehr als zwanzig Jahren ab. 1996 wurde mit der American Trail Running Association der erste offizielle Trailrunningverein gegründet. Er widmet sich ganz dem Laufen abseits asphaltierter Wege – im Wald am Rand der Stadt etwa, auf sanften Wiesen und Hügeln, alpinen Wanderwegen oder in völlig weglosem Gelände. 2013 bildete sich die internationale Trailrunningorganisation ITRA, und 2015 erkannte auch der Weltleichtathletikverband IAAF Trailrunning als offizielle Disziplin an.


Aber warum machen Menschen das überhaupt? Durch die wunderschönsten Berggegenden rasen? Sich ohne Pause und im Stechschritt steile Wanderwege hochquälen? Den Blick kaum von den überall lauernden Stolperfallen reissen, um dann doch auch noch das Panorama, die Pflanzenwelt, die Murmeltiere, die Schwalbenschwänze und all die Vögel zu geniessen? Auf dem Gipfel bloss schnell die Zeit auf der GPS-Uhr checken, vielleicht ein Bild knipsen, um dann in einem irren Tempo wieder ins Tal zu stürzen?

«Viele wollen sich einfach in den Bergen bewegen», erklärt sich die 51-jährige Janine Patitucci den Trend. «Das Rennen auf Wanderwegen ist eben schöner und macht mehr Spass als das Laufen in der Stadt.» Wer genug von Asphaltwüsten und dem immer gleichen Spazierweg entlang der Limmat oder der Aare hat, wagt sich also auf einen der vielen Wanderwege und nimmt dafür auch den einen oder anderen irritierten oder verwunderten Blick in Kauf. «Als Belohnung gibt es oft atemberaubende Aussichten, ein unvergleichliches Freiheitsgefühl und eine manchmal beinahe meditative Einsamkeit.»

Natürlich spielen auch sportliche und mentale Ambitionen eine Rolle. Trailrunning ist ja bei weitem nicht bloss Genuss. Da sind die Konzentration und die Balance, die das Laufen über Geröll und Schneefelder abverlangt. Oder die Anstrengung und die Koordination, die beim zügigen Abstieg im steilen Gelände nötig sind. Hier bleiben keine Zeit und keine Energie für andere Gedanken. Meditativ ist das allemal.

So erstaunt es wenig, dass die 65 000 Kilometer ausgeschilderten Wanderwege in der Schweiz ein willkommenes Terrain für viele sind, die sich laufenderweise einen Ausgleich zum Arbeitsalltag in klimatisierten Büros suchen. Auch für Janine und Dan Patitucci sind die Schweizer Alpen der ideale Ort für Trailrunning. Nirgendwo sonst gebe es so vielfältige Landschaften auf so engem Raum. Und nirgendwo sonst sind auch die letzten Bergtäler noch fast problemlos mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Am liebsten sind den Patituccis Strecken, die im üppig grünen Tal starten, quer durch alle Vegetations- und Gebirgszonen verlaufen und auf hohen Gipfeln enden.

Gemäss Schweiz Tourismus sind auf Wanderwegen zwar bloss 2,8 Prozent aller PassantInnen als TrailläuferInnen unterwegs. Doch es werden jedes Jahr mehr, mittlerweile sieht man sie fast überall: Auf dem erst vor wenigen Jahren richtig bekannt gewordenen rasiermesserscharfen und schwindelerregenden Brienzergrat; entlang der imposanten, weissen Kalkwände der Ruinaulta; oder gar auf dem 3610 Meter hohen Barrhorn im Wallis – dem höchsten Berg der Schweiz, der sich wandernd oder eben laufend besteigen lässt.


Bei all den berauschenden Aussichten und meditativen Gefühlen: Natürlich ist auch Trailrunning nicht ganz unproblematisch. TrailläuferInnen leisten ebenso ihren Beitrag zum immer grösseren sportlichen und touristischen Nutzungsdruck auf den «Playground of Europe», wie der britische Bergsteigerautor Leslie Stephen die Alpen im 19. Jahrhundert taufte. Ein Druck, der auch Konflikte auf den Wanderwegen mit sich bringt. Der klassische ist ein alter Schuh: Wandern gegen Mountainbiken. Vor allem dank der immer günstigeren und leistungsstärkeren E-Bikes werden auch die steilsten und längsten Wanderwege für Mountainbikes einfacher zugänglich. Und so gibt es neben einem Bike-Codex und designierten Mountainbiker-Routen auch immer mehr touristische Kampagnen, die zur gegenseitigen Rücksichtnahme aufrufen.

Im Vergleich dazu sind TrailläuferInnen Heilige. Und trotzdem frage auch ich mich manchmal: Gehe ich den anderen eigentlich auf die Nerven, wenn ich durch die Berge zische? Wollen sie vielleicht einfach die Ruhe geniessen und nicht auch noch auf den idyllischen Wanderwegen mit der ohnehin überall präsenten Beschleunigung des Lebens konfrontiert werden? Oder ist das einfach nur das unangemessene Gefühl eines falschen Alleinanspruchs an die «Natur»?

«Draussen unterwegs zu sein, ist immer eine ambivalente Sache», meint Tim Marklowski von Mountain Wilderness Schweiz. Auch er ist Trailläufer und weiss um die grosse Beliebtheit des Bergsports. «Grundsätzlich ist der Mensch Teil der Natur und braucht diese. Wir müssen uns dabei einfach mit den Umweltauswirkungen befassen und überlegen, was nachhaltig möglich ist. Sei es beim Trailrunning, beim Mountainbiken oder auch beim Wandern und Klettern.» Was die verschiedenen Bedürfnisse auf den Wegen anbelange, brauche es schlicht gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme. «Die Konflikte werden dabei auch ein bisschen hochgekocht», glaubt Marklowski. «Natürlich nutzen wir beim Trailrunning die gleiche Infrastruktur wie beim Wandern. Aber das ist noch nicht grundsätzlich ein Problem, solange wir aufeinander achten, das Tempo anpassen und uns rechtzeitig bemerkbar machen, wenn wir Wanderer überholen wollen.»

Problematisch würde es, wenn Menschen einfach in kürzerer Zeit mehr unternehmen und noch mehr Alpenerfahrung konsumieren wollen. «Dieses Symptom einer schnelllebigen Zeit muss man kritisch betrachten. Wer nur in die Berge fährt, um zu konsumieren, hinterlässt dort eigentlich nur negative Auswirkungen», sagt Marklowski. Darum sei es wichtig, nebst dem richtigen Verhalten in den Bergen auch die Anreise und Verpflegung nachhaltig zu gestalten und die lokale Wertschöpfung zu unterstützen.


Bereits richten sich diverse Tourismusdestinationen explizit an TrailrunnerInnen – der Sommertourismus muss die trockenen Winter retten. In Davos, Grindelwald oder Zermatt gibt es ausgeschilderte Routen und international anerkannte Laufwettbewerbe. Einer der bekanntesten ist der jeweils im Juli stattfindende Eiger Ultra Trail in Grindelwald. In der Originaldistanz müssen die LäuferInnen 101 Kilometer und 7000 Höhenmeter in weniger als 22 Stunden bewältigen – für weniger Ambitionierte gibt es Strecken über 51, 35 und 16 Kilometer. Jährlich laufen 3000 Menschen aus über siebzig Ländern auf einer der vier Distanzen mit. Im letzten Jahr war die Veranstaltung innerhalb weniger Minuten ausverkauft.

«Wir wurden vom Hype ziemlich überrollt», erinnert sich OK-Präsident Ralph Näf. Der 44-jährige Berufsbergführer hob den Trail vor acht Jahren mit FreundInnen aus der Taufe. Beim ersten Lauf rechnete der Verein mit 300 Anmeldungen. Am Ende kamen viermal so viele – sehr bald stiess das «ambitionierte Hobbyprojekt», wie Näf es nennt, an seine Grenzen. «Wir haben ziemlich schnell gesagt, dass wir nicht beliebig weiter wachsen wollen. Kommerzielle Interessen standen ohnehin nicht im Vordergrund. Stattdessen wollen wir Trailrunning in Grindelwald während des ganzen Jahres ermöglichen. Das hilft der lokalen Wirtschaft mehr, weil die Läufer nicht nur an einem Wochenende im Jahr hier sind.» Mittlerweile sind die verschiedenen Strecken ganzjährig ausgeschildert; bereits am Bahnhof begrüsst ein grosses Plakat die angereisten LäuferInnen.

«Wir organisieren die grösste Veranstaltung in Grindelwald und haben eine entsprechende wirtschaftliche Verantwortung», erklärt Näf. «Der Austausch mit der lokalen Bevölkerung fördert das Verständnis und die Unterstützung für den Event. Konflikte haben wir nur sehr wenige, weil wir versuchen, den Event im Einklang mit allen zu organisieren.» So achtet der Verein darauf, dass möglichst vieles aus der Region kommt und kurze Wege bevorzugt werden. Die Energieriegel für die LäuferInnen kommen aus der Dorfkonditorei, der Käse von der Alp gleich neben dem Verpflegungsposten. Und auf dem 2681 Meter hohen Faulhorn, dem höchsten Punkt des Rennens, gibt es kein Wasser, weil es mit Helikoptern hochgeflogen werden müsste.

Seit sechs Jahren ist der Eiger Ultra Trail Teil der 2013 gegründeten Ultra-Trail World Tour, die inzwischen fast dreissig über hundert Kilometer lange Ultratrails bewirbt. Ob nun in Italien, Patagonien, Japan, Australien, den USA, Oman oder Südafrika: All das mutet wie eine Art «bucket list» für ambitionierte LäuferInnen an, die sich in allen Ecken der Welt durch die Berge quälen wollen. Kein Wunder, reisen auch für den Trail im Berner Oberland über die Hälfte der Teilnehmenden aus dem Ausland an. Zwar gebe es keine Auflagen, wie viele internationale Teilnehmende mitmachen müssten, erklärt Näf: «Doch auch bei uns soll die internationale Vielfalt erhalten bleiben.»

Nachhaltigkeit, Regionalität – und gleichzeitig internationale Flugreisen für einen Wochenendlauf in den Alpen: Wie passt das zusammen? «Natürlich könnten wir den Eiger Ultra Trail auch mit Schweizerinnen oder Sportlern aus Mitteleuropa füllen», sagt Näf. «Aber zum einen wird das gemeinschaftliche Ambiente sehr stark durch die Internationalität geprägt. Zum anderen kommen die meisten Läuferinnen nicht bloss für eine oder zwei Nächte in die Schweiz. Sie bleiben eine Woche oder mehr und bringen längerfristige Wertschöpfung ins Dorf.»

Das habe man auch in diesem Jahr gemerkt. Zwar musste der Event wie mehrere andere abgesagt werden. Trotzdem kamen viele TrailrunnerInnen ins Dorf. So treffe ich an einem Sonntagslauf zwischen Faulhorn und Schynige Platte zufällig zwei LäuferInnen, die auf eigene Faust den abgesagten Trail absolvieren. «Viele haben ihre Reservationen in den Hotels von Grindelwald nicht abgesagt», weiss Näf. Trotz der Treue einiger TrailläuferInnen: Was nach dem Lockdown bleibt, ist ein kürzerer Überraschungslauf mit bloss 300 TeilnehmerInnen und ein riesiges Finanzloch für den Verein.


«Natürlich ist es schade, dass dieses Jahr viele Läufe abgesagt wurden», sagt Kathrin Götz. Die vierzigjährige gelernte Lehrerin und Mutter von drei Töchtern ist die momentan vielleicht beste Ultratrailläuferin der Schweiz – je länger der Lauf, desto besser. Die letzten beiden Austragungen des Eiger Ultra Trail gewann sie jeweils. Und 2019 lief sie beim Trail Sur les Traces des Ducs de Savoie auf den dritten Platz – nach 145 Kilometern und über 9000 Höhenmetern. Dieser Lauf gehört zum prestigeträchtigen Ultra-Trail du Mont-Blanc, der wiederum als inoffizielle Weltmeisterschaft des Trailrunnings gilt. Einen Startplatz muss man sich bei anderen Rennen erlaufen.

Bei allem Bedauern über die abgesagten Rennen: «Gleichzeitig gibt mir das die Gelegenheit, neue, weniger bekannte Läufe auszuprobieren», erklärt Götz, während wir gemeinsam durch den regennassen Wald unterhalb des Solothurner Weissensteins laufen. In den letzten Jahren kamen mit dem Hype immer mehr Trailevents auf. Jedes Wochenende findet in der Schweiz wohl irgendwo ein Rennen statt. «Dieses Jahr wurde ich zum Beispiel an den erstmals stattfindenden Rheinquelletrail bei Sedrun eingeladen.» Auf der «bloss» 42 Kilometer langen Strecke wird sie zwar nur Zweite; dass es endlich wieder organisierte Rennen gibt, freut Götz umso mehr.

Doch vom Sport leben kann Götz nicht – sie schliesst gerade einen Bachelor in Ernährung und Diätetik ab. Nur ganz wenige TrailläuferInnen haben lukrative Sponsoringverträge, um über die Runden zu kommen. Preisgelder gibt es fast nirgends; für ihren dritten Rang am Ultra-Trail du Mont Blanc erhielt sie gerade mal 600 Euro. «Irgendwie ist das schön, weil es zeigt, dass der Kommerz beim Trailrunning noch nicht im Vordergrund steht», sagt Götz, während sie mir auf den steilen Stufen zum Weissenstein davoneilt. Und fährt fort, derweil ich bereits auf dem Zahnfleisch laufe und ihr Puls erst knapp im dreistelligen Bereich tickt: «Aber hier findet mit der steigenden Popularität definitiv ein Wandel statt.»

Mit dem Hype kommt der Wunsch nach Profit, nicht nur bei den Herstellern von Schuhen, Laufrucksäcken, Kompressionssocken oder Laufnahrung. Davor ist auch das «authentische und naturnahe» Trailrunning nicht gefeit. Hinzu kommt: Wer Sponsoringverträge hat, muss plötzlich viel mehr liefern. Nicht nur Laufresultate, sondern vor allem Präsenz und Werbung in den sozialen Medien, wo sich die Szene auf dem Laufenden hält. «Meine Kinder finden das zwar ziemlich cool, aber mich hat es zu Beginn eher gestresst», lacht Götz. «Aber so ist es halt: Wer mehr Geld bekommt, muss dafür auch mehr liefern.»
Gleichzeitig gibt Götz unumwunden zu, dass Trailrunning für sie doch eher ein sehr intensives Hobby ist. «Natürlich nimmt es einen recht grossen Stellenwert in meinem Leben ein und ist mir extrem wichtig. Das weiss auch meine Familie, die mich zum Glück unterstützt. Aber ich habe halt auch noch meinen Lebensunterhalt zu verdienen und andere Dinge, die in meinem Leben wichtiger sind.»

Mittlerweile sind wir auf einem kleinen Grat vor dem Weissenstein angekommen. Nebel umhüllt uns, die knorrigen Bäume verleihen der Szene einen mystischen Anstrich. Die vielen Wurzeln auf dem winzigen Weg sind äusserst rutschig. Doch Götz läuft, ohne sich davon beeindrucken zu lassen. Hier ist ihre Welt, wo sie fast täglich trainiert. Sie kennt jeden Meter. «Manchmal weiss ich auch nicht, warum mir Trailrunning so gut gefällt», gesteht Götz. «Ich bin wohl einfach gerne zügig unterwegs, Schlendern ist nicht so mein Ding. Ich habe auch Freude an der Bewegung: das schnelle, technische Bergablaufen. Oder zu sehen, wie schnell ich bergauf gehen kann. Vor allem mag ich es auch, wenn ich weite Distanzen zurücklegen kann.»

Es ist diese Faszination darüber, was ein Körper über eine so lange Zeit leisten kann. «Nach drei Stunden merke ich manchmal, dass ich eigentlich total müde bin», sagt Götz und hüpft geschickt von Stein zu Stein. «Und dann geht es trotzdem irgendwie noch fünfzehn Stunden länger.»


Ein paar Wochen später bin ich wieder in Grindelwald. Nicht umsonst gilt das Berner Feriendorf als Lieblingsort der TrailläuferInnen. Unterhalb des Wetterhorns kämpfe ich mich aufs Chrinnenhorn – manchmal gehört auch ein bisschen Klettern dazu. Nach einem Schwatz mit zwei BergsteigerInnen auf dem Gipfel geht es wieder abwärts. Vor mir ein Schneefeld, im Hintergrund der weiss glänzende Gipfel des Schreckhorns, darunter der in der blitzenden Sonne grollende obere Grindelwaldgletscher. Kaum betrete ich den Schnee, werde ich federleicht. Jeder Schritt ein Genuss, der Wind kühlt die verschwitzten Arme und Beine. Ich fliege.