Von oben herab: Fakten, Fakten, Fakten
Stefan Gärtner über die Konzernverantwortungsinitiative
Die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) will, dass Schweizer Firmen ihrer Verantwortung auch im Ausland gerecht werden. Als würden sie das nicht längst! Der Faktencheck der Schweizer Wirtschaft («guter-punkt.ch») wird hoffentlich dafür sorgen, dass mit der verzerrten Darstellung der Initiative Schluss ist.
Die Behauptung: «Glencore-Mine vergiftet Kinder mit Schwermetallen.»
Der Faktencheck: Die Glencore-Mine hat Kinder mit Schwermetallen nicht vergiftet. Eisen etwa ist für die gesunde Entwicklung unabdingbar; Schwermetalle bieten, wie der Name schon sagt, bloss eine höhere Konzentration. Wer bei der Arbeit regelmässig Schwermetalle zu sich nimmt, muss es nicht zu Hause tun; das spart Zeit und sehr viel Geld, denn die Weltmarktpreise für Blei oder Cadmium sind zuletzt stark gestiegen.
Die Behauptung: «Anständige Unternehmen, die sich korrekt verhalten, haben mit der Kovi gar nichts zu befürchten.»
Der Faktencheck: Haben sie doch. Anständige, sich korrekt verhaltende Unternehmen haben mit der Kovi einiges zu befürchten, nämlich dass am Ende herauskommt, dass sie gar nicht so korrekt und anständig sind. Das wäre dann zwar gelogen – denn ein unkorrektes Schweizer Unternehmen, das wäre ja, wenn wir hier ausnahmsweise einmal lateinisch werden dürfen, eine contradictio in adiecto! –, würde die Öffentlichkeit aber wieder mal verhetzen, und zwar anständig. Um noch einmal lateinisch zu werden: Sic!
Die Behauptung: «Wenn Konzerne das Trinkwasser vergiften oder ganze Landstriche zerstören, sollen sie dafür geradestehen.»
Der Faktencheck: Damit haben sie uns doch als Kinder bereits gequält: Steh gerade! Musst du wieder wie ein Fragezeichen in der Landschaft herumhängen? Da wollen die Linken immer so tolerant sein, und dann tönen sie genauso autoritär herum wie Vati und Mutti. Ausserdem hat die Schweizer Wirtschaft das geradeste, gesündeste Rückgrat der Welt, und wenn hier wer für einen zerstörten Landstrich, nämlich eine 1a Investitionswüste sorgt, dann ja wohl die Kovi!
Die Behauptung: «Noch immer optimieren viele grosse, international tätige Konzerne ihre Profite auf Kosten der einheimischen Bevölkerung und der Umwelt.»
Der Faktencheck: Also bitte. Auf wessen Kosten denn sonst? Haben wir nun Kapitalismus, oder haben wir keinen Kapitalismus? Die Schweizerinnen und Schweizer sollen froh sein, wenn Profite auf Kosten einer Bevölkerung optimiert werden, die irgendwo in der Welt einheimisch ist und nicht, sagen wir, im Thurgau. Oder will vielleicht wer, dass es bei uns so aussieht wie rund um eine nigerianische Ölpipeline? Oder da, wo eine Schweizer Granate eingeschlagen ist? Ja? Na, dann stimmen Sie ruhig mit Ja, Sie Tubel!
Die Behauptung: «Die Konzerne kümmern sich wenig um Menschenrechts- und internationale Umweltstandards, eignen sich gegebenenfalls die fruchtbarsten Landstriche an und transferieren die Gewinne in ihre Zentralen im Norden.»
Der Faktencheck: Bitte auch hier bei der genauen Wahrheit bleiben. Die Konzerne kümmern sich KEIN BISSCHEN um Menschenrechts- und internationale Umweltstandards und eignen sich IN JEDEM FALL die fruchtbarsten Landstriche an. Hundertmal aufschreiben, dann sitzt das!
Die Behauptung: «In Holland steht ein Gesetz kurz vor der Verabschiedung, das von den Unternehmen verlangt, dass in ihren Geschäften keine Kinderarbeit vorkommt.»
Der Faktencheck: Eben: Das Gesetz wird verabschiedet, und zwar auf Nimmerwiedersehen. Tschüss, Gesetz, machs gut! Niemand braucht dich! In Holland nicht, in der Schweiz erst recht nicht. Im Übrigen heisst es nicht «Holland», sondern offiziell «Nederland», zu deutsch: Niedersachsen. Das weiss doch jedes Kind, und wenn nicht, dann soll es das gefälligst lernen – aber bitte nach Feierabend!
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.