Konzernverantwortung: Was hilft gegen dreckige Nickelgeschäfte?
Eine neue Initiative will abermals Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Ausland haftbar machen. Doch ein Allerheilmittel ist das nicht, wie ein Fall aus Indonesien zeigt.

Am Dienstag hat die Koalition für Konzernverantwortung eine neue Initiative bei der Bundeskanzlei eingereicht. Konzerne sollen unter anderem in ihren Geschäftsbeziehungen zur Sorgfalt gegenüber Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet werden (vgl. «Kovi 2.0»). Ein aktueller Umweltskandal in Indonesien, in den auch der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore verwickelt ist, wirft allerdings die Frage auf, wie viel eine Umsetzung der Initiative letztlich bewirken könnte.
Im April enthüllten die internationalen Rechercheplattformen OCCRP und The Gecko Project: Ein indonesisches Nickelbergbauunternehmen wusste seit über einem Jahrzehnt, dass seine Aktivitäten lokale Flüsse und Trinkwasserquellen verseuchen. Geleakte E-Mails zeigen: Das Unternehmen PT Trimegah Bangun Persada (TBP), das zum Industriekonglomerat der indonesischen Harita-Gruppe gehört und Nickel abbaut, war spätestens seit 2012 darüber im Bilde, dass aus ihrer Mine auf der Insel Obi in der Provinz Nordmolukken krebserregendes Chromtrioxid in die Umgebung gelangte. Dennoch verschwieg das Unternehmen die Gefahr gegenüber der betroffenen Bevölkerung und liess die Verschmutzung in einem der artenreichsten Gebiete der Welt weiterlaufen. Das ist nicht nur eine lokale Tragödie, sondern auch ein globales Lieferkettenproblem: TBP, Betreiberin der umstrittenen Anlage auf der Insel Obi, beliefert zentrale Industriesektoren in der Elektromobilität und Batterietechnologie mit wichtigen Metallen.
Glencore mischt mit
Der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore ist ein Grossabnehmer der Nickelmine auf Obi. Allein im dritten Quartal 2024 hat er laut indonesischen Medien für rund 165 Millionen US-Dollar Nickel von Harita bezogen. Ausserdem besitzt er laut eigenen Angaben einen Aktienanteil von 3,9 Prozent von TBP. Damit sichert sich Glencore Zugang zu batteriefähigen Materialien – essenziell für den weltweiten Rohstoffhandel. Das heisst aber auch, dass der Konzern mit einem indonesischen Betrieb, dem schwerwiegende Umweltvergehen vorgeworfen werden, verbunden ist. Glencore schreibt auf Anfrage, man sei sich bewusst, dass gegenüber TBP «Behauptungen» kursierten und «beobachte» diese. Als Aktionärin habe man keine Kontrolle über das Tagesgeschäft.
Die Zusammenarbeit von Glencore mit TBP ist Teil einer längeren Investitionsstrategie. Schon in den Jahren 2019 und 2020 übernahm Glencore eine bedeutende Minderheitsbeteiligung – heute rund 32 Prozent – an Haritas Bauxit- und Aluminiumsparte PT Cita Mineral Investindo. Auch wenn Glencore keine von Haritas Minen selbst betreibt, profitiert der Konzern direkt vom Rohstoffabbau des Harita-Imperiums – und trägt somit auch Mitverantwortung für dessen ökologische Bilanz. Die Rollenverteilung zwischen Glencore und Harita ist klar: Harita liefert den Zugang zu Rohstoffen, Glencore bringt globale Marktmacht, Handels-Know-how und Kapital ein.
Die neu eingereichte Konzernverantwortungsinitiative orientiert sich eng an der 2024 verabschiedeten EU-Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten. Sie verpflichtet grosse Unternehmen neben der Haftung für ihre Tochterunternehmen dazu, entlang ihrer gesamten globalen Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Dahinter steckt die Annahme, dass grosse, transnationale Unternehmen als eine Art regulatorisches Rückgrat fungieren können – gestützt auf ihren Einfluss, interne Kontrollsysteme und das Bestreben, Reputationsschäden zu vermeiden. Vor allem in Ländern mit schwacher staatlicher Aufsicht sollen sie so für Ordnung sorgen.
Mit Rückendeckung von ganz oben
Doch die Erwartung, dass ein Konzern wie Glencore als faktischer Regulator seiner Lieferkettenpartner agieren kann, setzt voraus, dass er sowohl die Motivation als auch die Mittel besitzt, um wirksam durchzugreifen – und dass die lokalen Partner überhaupt auf externen Druck reagieren. Haritas langjährige Umweltvergehen auf der Insel Obi zeigen allerdings: Diese Firmen sind keine rein wirtschaftlich handelnden Akteure. Sie sind fest eingebettet in lokale politische Netzwerke.
Die weitreichenden Rohstoffgeschäfte des Harita-Konglomerats wären ohne strategische Allianzen mit politischen Eliten kaum denkbar. Besonders deutlich wurde das im Dezember 2023, als ein Direktor von TBP, Stevi Thomas, auf Betreiben der Antikorruptionsbehörde festgenommen wurde. Der Vorwurf: Bestechung des früheren Gouverneurs der Provinz Nordmolukken, Abdul Ghani Kasuba, im Tausch gegen Minenlizenzen. Der Fall zeigt, dass Harita nicht gegen das System Geschäfte macht, sondern mit dessen aktiver Unterstützung und mit Rückendeckung von ganz oben. Dabei ist Abdul Ghani Kasuba bei weitem nicht der einzige korrupte Politiker Indonesiens. Laut Transparency International hat sich die Situation im Land in den letzten zehn Jahren nur wenig verbessert. Im Energiesektor etwa gebe es zahlreiche Beispiele, wie Personen ihre engen Verbindungen zur politischen Elite für den eigenen Vorteil nutzten.
Involviert ist auch der indonesische Sicherheitsapparat. So zeigen dessen Operationen auf der Insel Obi exemplarisch, wie wirtschaftliche Interessen militärisch und polizeilich geschützt werden. Im Mai 2019 stufte das indonesische Energieministerium das Minengebiet als Objekt von nationaler Bedeutung ein – ein Status, der besonderen staatlichen Schutz ermöglicht. De facto bedeutete das: Militarisierung des Minenprojekts unter dem Vorwand nationaler Sicherheit. So rückte Anfang 2020 die berüchtigte Eliteeinheit Kopassus zu Militärübungen auf der Insel an, angeblich um die «Wachsamkeit» rund um die Mine zu erhöhen. Die Einheit ist eng mit der politischen Führung des Landes verflochten und gilt als besonders brutal (siehe WOZ Nr. 3/21).
Im Dezember desselben Jahres überreichte Harita dem damaligen Leiter der Militärakademie, Generalmajor Totok Imam Santoso, im Beisein von Konzernvertretern und ranghohen Offizieren eine Spende über eine Milliarde Rupiah, gut 50 000 Schweizer Franken. 2021 folgte eine formelle Kooperationsvereinbarung mit der Regionalpolizei der Nordmolukken zur «Sicherstellung der Ordnung» auf Haritas Gelände. Im Juni desselben Jahres erschien Luhut Binsar Pandjaitan, damals Koordinierungsminister für maritime Angelegenheiten und Investitionen und einer der mächtigsten Männer des Landes, persönlich zur Eröffnung der neuen Nickelverarbeitungsanlage auf Obi. Mit ihm vor Ort: Vertreter:innen der Regionalregierung und nationaler Behörden. Im Oktober 2022 setzte Generalmajor Ruruh A. Setyawibawa diese Strategie fort: offizieller Besuch, Betonung des Schutzstatus, Teilnahme an Unternehmensfeierlichkeiten.
Das Nickelunternehmen auf Obi ist längst kein gewöhnlicher Marktakteur mehr, sondern ein strategisch geschützter Teil der sicherheitspolitischen Infrastruktur Indonesiens. Haritas enge Verbindungen zu lokalen Amtsträgern, Sicherheitskräften und nationalen Eliten schützen das Unternehmen nicht nur vor staatlicher Kontrolle, sondern auch vor öffentlichem Reputationsverlust.
Kovi 2.0
Schweizer Unternehmen und ihre Tochterfirmen sollen für die Verletzung von Umweltbestimmungen und Menschenrechten zur Rechenschaft gezogen werden können. Das war das Ziel der Konzernverantwortungsinitiative, die das Schweizer Stimmvolk 2020 annahm, die aber am Ständemehr scheiterte. Und es ist auch das Ziel der Konzernverantwortungsinitiative 2.0, die von den Initiant:innen als Reaktion auf einen zahnlosen Gegenvorschlag lanciert und am Dienstag eingereicht wurde.
Obwohl das Anliegen dasselbe ist, haben sich doch ein paar Dinge geändert; vor allem wurde die Kovi 2.0 entschärft: So sind etwa KMUs von den Bestimmungen der neuen Vorlage ausgenommen. Auch die vielkritisierte Beweislastumkehr, die faktisch nur die Sorgfaltspflicht betraf, fällt weg. Stattdessen ist im Initiativtext von einer «angemessenen Regelung für die Erbringung von Beweisen» die Rede. Ebenfalls neu ist die Verpflichtung für Unternehmen, Klimaziele zu formulieren und Emissionen zu reduzieren.
Korruption sichtbar machen
In einem solchen Umfeld stösst selbst ein noch so engagiertes ausländisches Unternehmen schnell an politische Grenzen, wenn es versucht, das Verhalten seiner Partner zu beeinflussen. Zu glauben, dass sich globale Compliance-Standards reibungslos durchsetzen lassen, ist angesichts politisch verflochtener, teils autonomer Lieferketten sehr optimistisch. Hinzu kommt die Widerstandsfähigkeit lokaler Korruptionsnetzwerke.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Gesetze zur Konzernverantwortung nutzlos wären. Reformvorschläge wie die Konzernverantwortungsinitiative können eine wichtige normative Funktion erfüllen, etwa indem sie Unternehmen dazu bringen, Risiken systematisch zu erfassen, ihre Offenlegungspflichten zu verbessern oder sich aus schädlichen Partnerschaften zurückzuziehen. Doch Rechenschaft entsteht nicht durch Gesetzestexte allein, schon gar nicht, wenn diese von aussen kommen. In Ländern wie Indonesien, wo Aufsichtsbehörden häufig vereinnahmt sind und Eliten innerhalb stabiler Korruptionsnetzwerke operieren, liegt das Problem nicht im Mangel an formellen Regeln, sondern im Fehlen vertikaler Rechenschaftspflicht, also der Möglichkeit für Bürger:innen und Gemeinschaften, von den Mächtigen Wiedergutmachung zu verlangen.
Um unter solchen Bedingungen echte Verantwortung zu stärken, braucht es politisch verankerte Strategien, die auf die lokalen Realitäten abgestimmt sind: Unterstützung für Sammelklagen gegen Unternehmen vor Ort, den Aufbau unabhängiger Monitoringkapazitäten und Raum für zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Konzerne ebenso wie gegen deren politische Schutzpatrone. Politische Unterstützung kann dabei viele Formen annehmen – etwa gezielte Allianzen mit reformorientierten Bürokrat:innen, der Aufbau strategischer Koalitionen zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen und lokalen Medien oder die Unterstützung von Klagen gegen staatliche Stellen. Solche rechtlichen Auseinandersetzungen sind weniger darauf ausgerichtet, vor Gericht zu gewinnen – was angesichts der Korruption auch in Indonesiens Justiz kaum realistisch ist –, sondern dienen als politische Strategie, um Korruption und Machtmissbrauch öffentlich sichtbar zu machen.
Ohne eine solche Auseinandersetzung mit den politischen Strukturen vor Ort, die Unternehmen systematisch vor Kontrolle schützen, verkommen selbst die ambitioniertesten Sorgfaltspflichtgesetze zu einem bürokratischen Feigenblatt – gemacht, um das Gewissen internationaler Investor:innen und von Schweizer Bürger:innen zu beruhigen, aber nicht, um vor Ort Gerechtigkeit zu schaffen.
Michael Buehler ist Professor für Politikwissenschaft an der School of Oriental and African Studies der Universität London. Er forscht zu politischer Ökonomie, Korruption und institutionellen Reformen in Südostasien – mit einem Schwerpunkt auf Indonesien.