Menschenrechte im Iran: Gegen die Grausamkeit der Gesetze
Die Teheraner Anwältin Nasrin Sotudeh muss weiterhin im Gefängnis bleiben – weltweite Proteste und die Auszeichnung mit dem Alternativen Nobelpreis ändern daran nichts. Ihr Ehemann sorgt sich um ihren Gesundheitszustand.
Die Gefängnisärzte seien schockiert gewesen, dass seine Frau Nasrin Sotudeh «mit solcher Eile und ohne angemessene medizinische Behandlung ins Gefängnis zurückgebracht wurde», schreibt Resa Khandan in einem Brief, den er diese Woche auf den sozialen Medien veröffentlichte. Sotudeh hatte zuvor nach über einem Monat einen Hungerstreik beendet.
Anfang Oktober wurde Sotudeh mit dem sogenannten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet – doch ob sie ihn jemals in Empfang wird nehmen können, ist fraglich. Die iranische Anwältin wurde wegen «staatsfeindlicher Propaganda», «Störung der öffentlichen Ordnung» und weil sie sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch gezeigt hatte, zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Die 57-Jährige sitzt im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis – und ist gesundheitlich angeschlagen. Ärzte, die Sotudehs Testresultate hätten einsehen können, würden «angesichts ihrer schweren körperlichen und kardialen Beschwerden» die Rückverlegung ins Gefängnis als bewussten Versuch werten, ihr Leben in Gefahr zu bringen, schreibt der in Teheran lebende Ehemann Khandan im erwähnten Brief.
Unnachgiebiges Regime
Nasrin Sotudeh gehört zu den renommiertesten MenschenrechtsaktivistInnen im Iran. «Als Anwältin konnte und kann sie weder die Grausamkeit der islamischen Gesetze noch die Unmenschlichkeit der iranischen Justiz hinnehmen», sagt Fahimeh Farsaie. Die seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Juristin und Journalistin wurde im Iran selber politisch verfolgt.
Vor Gericht vertrat Sotudeh meist DissidentInnen, vor ihrer Inhaftierung im Sommer 2018 hatte sie dann die Verteidigung von Frauenrechtlerinnen übernommen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzten. Seither sitzt sie im Gefängnis, wo sie im August in den Hungerstreik trat. Ihr Anliegen: Hafturlaub für politische Gefangene während der Coronapandemie. Wegen der Ausbreitung des Virus hatte die iranische Regierung rund 80 000 Häftlinge kurzzeitig entlassen, von der Regelung ausgenommen waren aber MenschenrechtsaktivistInnen.
Weder der Hungerstreik noch internationale Solidaritätsbekundungen – französische JuristInnen etwa starteten eine Unterschriftenaktion für ihre Kollegin – haben bisher etwas gebracht, gegenüber KritikerInnen bleibt das Regime unnachgiebig. Erst am Sonntag traten Alieh Motalebzadeh, die Vizechefin des Verbands für die Verteidigung der Pressefreiheit, und die Studentin und Twitter-Aktivistin Roghieh Nafari ihre jeweils dreijährigen Haftstrafen im Evin-Gefängnis an. Auch ihnen wird laut Medienberichten «Propaganda gegen das Regime» vorgeworfen.
Aussicht auf Sanktionen
Ein Grund für die staatliche Radikalität sind auch die neuen politischen Koordinaten. Seit der Parlamentswahl im Februar bestimmt eine Koalition aus Erzkonservativen, Konservativen und Hardlinern das Geschehen. Die Reformer und moderaten Konservativen sind seither in der Minderheit. «Für die Mehrheit der Parlamentarier sind Hinrichtungen das wirksamste Mittel zur Lösung der Probleme», glaubt die Juristin Farsaie.
Hinzu kommt, dass die Regierung die Coronapandemie nicht im Griff zu haben scheint. Trotz rasanter Ausbreitung lockerte sie im Juni die Beschränkungen, obwohl das Land in der Region als am härtesten von der Pandemie betroffen gilt. Das regimekritische Onlineportal «Iran Journal» meldete Anfang Oktober, innert 24 Stunden seien rund 4400 Neuinfektionen gemeldet worden.
Nach offiziellen Angaben haben sich rund eine halbe Million IranerInnen mit dem Coronavirus infiziert, fast 29 000 davon sind verstorben. Die Dunkelziffer dürfte allerdings wesentlich höher liegen, und eine Milderung der Situation ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Laut einem Bericht der «Washington Post» planen die USA weitere Sanktionen gegen den Iran. Diese hätten auch Auswirkungen auf den Import von humanitären Gütern, darunter auch medizinische Produkte. Dabei sind diese ohnehin schon Mangelware.