Auf allen Kanälen: NZZ nimmt Staatshilfe

Nr. 44 –

Während der Coronapandemie können erstmals alle Zeitungstitel von Fördermassnahmen profitieren. Die Liste der Begünstigten.

Die Coronapandemie hat die Medien auf eine paradoxe Weise getroffen. Zum einen sind Nachrichten, Einordnungen und Meinungen so gefragt wie seit langem nicht. Zum anderen brechen die Werbeeinnahmen, die noch immer zu einem beträchtlichen Teil die Produktion dieser Informationen finanzieren, jetzt erst recht weg: Denn weniger Konsum heisst weniger Werbung. Noch fehlen exakte Zahlen, doch der Trend ist eindeutig. «Zwar konnten mehr Digitalabonnements verkauft werden», konstatiert das Jahrbuch «Qualität der Medien», das diese Woche erschienen ist. «Dem digitalen Zuwachs auf der Nutzerseite war es jedoch nicht möglich, den Einbruch bei den Werbeeinnahmen annähernd zu kompensieren.»

Immerhin kam der Presse der Staat zu Hilfe, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Wie die WOZ im April publik machte, war ein erster Versuch im Bundesrat gescheitert, weil sich einzelne Konzerne noch während der Pandemie grosszügig Dividenden auszahlten. Eine vom Parlament neu lancierte Vorlage schrieb darauf ein Dividendenverbot vor, wenn Unterstützung bezogen wird. Die Hilfe besteht darin, dass den Medien die Posttaxen bei grösserer Auflage vergünstigt oder bei kleinerer ganz erlassen werden. Zahlt ein Medium nach Abschluss des Geschäftsjahres dennoch Dividenden aus, kann der Bund die Unterstützungsbeiträge zurückverlangen.

Welches Medium hat nun aber tatsächlich Hilfe beantragt? Und darf sich damit fürs Jahr 2020 – zumindest vorläufig – auch keine Dividenden auszahlen? Auf Anfrage hat das Bundesamt für Kommunikation der WOZ die Liste der begünstigten Medien zugestellt. Die Antwort auf die Fragen fällt kurz und knapp aus: praktisch alle.

Verzicht fürs Firmenwohl

Trotz voranschreitender Medienkonzentration: Profitiert haben unabhängige Titel wie der «Anzeiger vom Rottal» (gegründet 1905), der «Prättigauer und Herrschäftler» (gegründet 1901) oder das «Feuille d’Avis de la Vallée de Joux» (gegründet 1840). Profitiert haben aber vor allem auch die Konzerne: Ringier ist mit dem «Blick» und dem «Sonntagsblick» auf der Liste, die TX Group mit dem «Tages-Anzeiger», dem «Bund» und der «Basler Zeitung», CH Media mit all ihren Regionaltiteln von Aarau über Luzern bis nach St. Gallen. Auch die NZZ als Leitorgan des Neoliberalismus hat Staatshilfe beantragt, ebenso die «Weltwoche» von SVP-Verleger Roger Köppel.

Wie die NZZ-Gruppe mitteilt, wurde ihr vom Bund ein tiefer sechsstelliger Betrag erlassen. Bei CH Media war es, der höheren Auflage entsprechend, ein tiefer einstelliger Millionenbetrag. Die TX Group und Ringier schweigen sich über die Höhe der Unterstützung durch den Bund aus. Ob man dennoch Dividenden aus- und damit die Unterstützung zurückzahlt, lässt die NZZ-Gruppe offen: «Für eine Prognose ist es noch zu früh.» Ähnlich tönt es bei CH Media: «Der Verwaltungsrat wird sich erst Anfang des Jahres mit der Dividende beschäftigen.» Die TX Group wird, wie bereits im Frühjahr angekündigt, keine Gewinnausschüttung vorschlagen: «Dies aufgrund der krisenbedingten negativen Ergebnisentwicklung sowie zur Stärkung der Gruppe.» Ringier verweist darauf, dass die BesitzerInnen schon 2019 auf eine Dividende verzichtet haben: «Die Familie Ringier stellt seit jeher das Wohl der Firma in den Vordergrund.»

Bewährtes Prinzip

Die Unterstützung durch den Bund war vorerst auf sechs Monate befristet. Dank dem Covid-19-Gesetz ist sie nun bis Ende des Jahres 2021 garantiert. Sollte dazwischen das Medienförderungspaket des Bundesrates, das neben den gedruckten auch digitale Titel fördern will, im Parlament verabschiedet werden, läuft die Hilfe aus. Bis dieses Paket definitiv beschlossen ist, dürfte es aber noch Monate dauern: Die Bürgerlichen sind sich bisher in der Medienkommission nicht einig über ihre Position und wollen das Geschäft mit weiteren Abklärungen bis zum nächsten Frühling verzögern.

Beim Bezug der künftigen Subventionen, die deutlich höher ausfallen werden, ist bisher übrigens kein Verbot von Dividenden vorgesehen. Dabei müssten die ParlamentarierInnen zu dieser Frage gar keine Abklärungen mehr treffen: Wie die Erfahrungen während der Coronazeit zeigen, ist ein Dividendenverbot spielend leicht umsetzbar.

Die WOZ erhält jährlich rund 200 000 Franken an Posttaxenvergünstigung. Die Coronanothilfe macht 2020 weitere 100 000 Franken aus.