Handwerk: Allerlei Contrebande

Nr. 47 –

Verbotene Waren, verbotene Literatur und verbotene Menschen: Ein kleiner und ganz unvollständiger Blick in die Geschichte der SchmugglerInnen an der Schweizer Grenze.

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Januar 1920 am Bodensee. Ein Prozess gegen SchmugglerInnen. Vierzehn Männer und eine Frau stehen als Angeklagte vor dem Richter. Von Beruf sind sie Fischer, Landwirte, Textilarbeiter, Sticker und Fergger, ein Metzger, ein Reisender, ein Büroangestellter oder «Commis», ein Mechaniker, ein Käserknecht, ein Gestellmacher, ein Wirt sowie eine Wirtin.

Sie haben im Sommer 1918 sonderbare Dinge nach Deutschland geschmuggelt: viele Hundert Spulen Nähfaden und Stickgarn, tausend künstliche Zähne sowie etliche Kilogramm Zahngummi für Dentisten. Acht bis zehn Meter Ventilschläuche, acht bis zehn Kilo Kaffee, je zehn Kilo Fett und Pfeffer, zwei grosse Schinken. 35 Kilo Schokolade, ungefähr 25 Gramm Platin und zehn Goldstücke. Jedenfalls haben sie diese Waren in der Schweiz zum Schmuggeln bereitgestellt, denn die illegale Ausfuhr kann ihnen der Staatsanwalt nicht in allen Fällen nachweisen.

Einen der Schinken beispielsweise ass ein Schmuggler mit Gästen selber auf, wie er glaubhaft versichert. Von der Schokolade hat der Fischer Ernst A., der sie über die Grenze bringen wollte, zehn Kilo seiner Braut und deren Schwester sowie den Kindern seines Dorfes verschenkt. Derselbe A. hat «7 Gros Faden» in drei Fässchen versteckt und sie im See abgesenkt, er wollte sie später nach Deutschland bringen. Doch weil die Grenzwache sich dafür interessierte, nahm er sie rasch wieder heraus, um festzustellen: Der Faden war nass und teilweise verdorben.

Als Haupttäter gelten der Wirt Karl K. und der Gestellmacher Walter G. in Uttwil bei Romanshorn. Sie seien «die Seele des inkriminierten Schmuggels», findet das Bezirksgericht Arbon am 16. Januar 1920. Meistens besorgte K. die Ware, dafür kassierte er einen Teil des Gewinns. Gestellmacher G. holte das Schmuggelgut in K.s Wirtschaft ab. Er brachte es entweder selber auf den See oder beauftragte andere Leute mit dem riskanten Job: Die Fischer Ernst A. und Emil E. aus Uttwil nahmen deponierte Waren mit, wenn sie frühmorgens zum Fischen fuhren. An einem vereinbarten Punkt mitten im See, der bei Uttwil etwa vierzehn Kilometer breit ist, trafen sie auf deutsche Berufskollegen und händigten diesen die Ware aus.

Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs und der frühen Nachkriegszeit. Im besiegten Deutschland herrscht Mangelwirtschaft. Wer in der Schweiz genug Geld besitzt, kann fast alles kaufen. Die Schweizer Industrie hat am Krieg gut verdient, aber Arbeiterinnen und Arbeiter, Fischer und kleine Gewerbetreibende profitierten davon kaum. Die Grenze zu Deutschland ist für viele Waren gesperrt. Wechselkurse sind instabil, der freie Personenverkehr, den es seit 1848 gab, ist seit 1914 aufgehoben. Die Weltgeschichte hat die Bodenseeregion in abgegrenzte Räume zerteilt.

22. Januar 1920. «Neue Zürcher Nachrichten», Notiz aus dem Vorarlberg: «In Lustenau wurde die weit herum berüchtigte Schmuggler- und Schieberfamilie G. verhaftet, weil sie sich über die Herkunft ihres bedeutenden Geldbesitzes nicht ausweisen konnte. Einer der G. verlor kürzlich in Bregenz beim Kegelspiel an einem Abend die Kleinigkeit von 70,000 Kronen, nach seiner Angabe einen normalen Wochenverdienst.»

Geschmuggelt werden zahlreiche Waren; Zeitungsberichte erwähnen immer wieder Gummi – sehr begehrt sind Gummisauger für Säuglingsflaschen –, den Zuckerersatz Saccharin und Edelmetalle. Ausserdem Zigarren und Stumpen, Seifen, Morphium, Kokain und Medikamente, hier vor allem das Syphilismittel Salvarsan.

Seit Kriegsende herrscht in der Schweiz Wirtschaftskrise. Die Maschinenindustrie erhält keine Aufträge mehr. Die Stickerei, einst die bedeutendste Exportindustrie, taumelt von Flaute zu Flaute. Auch die Fangerträge der Fischer am Bodensee sind zurückgegangen. 1920 ist kein gutes Felchenjahr.


Wenn Grenzen sich schliessen, wird das Grenzüberschreiten zum Geschäft. Je stärker die Grenze, je höher die Abgaben, desto lukrativer ist der Schmuggel. In der Alten Eidgenossenschaft gab es zwar auch schon Zölle, doch sie waren mit feudalen Strukturen verknüpft, nicht mit wirtschaftlichen Zwängen, und wurden meist im Landesinnern erhoben, vor Brücken, auf Märkten, an Strassen, sodass ein Transfer mit Waren ziemlich mühsam und teuer werden konnte. Dort, wo man Zölle als wirtschaftspolitische Instrumente verstand, etwa im absolutistischen Frankreich, liessen sich durch geschickte Verhandlung die Tarife manchmal senken. Die Ostschweizer Textilindustrie ist im 18. Jahrhundert nicht zuletzt dank hervorragender Beziehungen zum französischen Zoll aufgeblüht.

Überhaupt Frankreich: Als Napoleon Bonaparte 1806 die Kontinentalsperre befahl, die komplette wirtschaftliche Abschottung von England, begann eine goldene Zeit des Schmuggels in Europa. Zum Schutz der eigenen Industrie hatte Bonaparte schon früher scharfe Importbeschränkungen angeordnet. 1803 hielt er in Antwerpen eine Rede vor der örtlichen Handelskammer, die von der «Neuen Zürcher Zeitung» überliefert wurde: Ob es eigentlich die Versicherung für Schmuggler englischer Ware noch gebe, fragte der Erste Konsul Frankreichs die flämischen Handelsherren spöttisch, und was diese «Assekuranz» nach der Verstärkung der Grenzkontrollen denn jetzt koste. Antwerpen war als Umschlagplatz für Schmuggelware, sogenannte Contrebande, bekannt.

1806 schloss sich die Eidgenossenschaft der napoleonischen Kontinentalsperre gegen England an und definierte zwischen Basel und Chur ein Dutzend Übergänge oder Mautstellen, an denen Waren geprüft, gegebenenfalls verzollt und eingeführt werden durften. Alle Verstösse gegen diese Bestimmung sollten streng bestraft werden, im Wiederholungsfall mit Gefängnis und «entehrenden körperlichen Strafen».

Ein Jahrzehnt später ist die Kontinentalsperre gefallen, billige englische Textilien strömen ins Land und ruinieren die heimischen Manufakturen. Wegen schlechter Ernten bricht gleichzeitig eine Hungersnot aus. Die Krise trägt zur erneuten Verstärkung der Grenzen bei, denn jetzt schottet man sich gegen Hungerflüchtlinge ab. Die Thurgauer Regierung beispielsweise verfügt am 15. November 1816, dass keine «Fremden» mehr unkontrolliert einreisen dürften. Sie erlässt eine Art Visapflicht, die auch für BewohnerInnen anderer Kantone gilt. Möglichen Schleppern oder Menschenschmugglerinnen droht sie rigorose Strafen an: Schiffsleute, die unerlaubt Fremde über den See oder den Rhein setzen, erhalten beim ersten Mal eine hohe Busse, beim zweiten Mal die Prügelstrafe. Wer Fremde ohne Erlaubnis im Haus aufnimmt, wird ebenso verfolgt. Wer HelferInnen der Hungerflüchtlinge denunziert, bekommt die Hälfte der verhängten Busse ausbezahlt. Auch der Kornhandel an der Grenze ist streng limitiert:

November 1816, aus einer St. Galler Chronik: «Die düstersten Aussichten auf die nächste Zukunft eröffnete die zu Martini eintretende gänzliche Fruchtsperre der deutschen Nachbarstaaten und sofortiges höheres Steigen der Lebensmittelpreise.»

Februar 1817, aus der «Aarauer Zeitung»: «Der Kanton Neuenburg hat, durch preussische Verwendung, taxfreie Ausfuhrbewilligung für bestimmte Getreideankäufe aus Baiern erhalten. Die Stände Bern und Thurgau haben für solche kürzlich nachgesucht.»

Neben eingeschwärzten Waren und Personen bekämpfen die Mächtigen aller Staaten in unruhigen Zeiten noch ein weiteres Schmuggelgut: aufrührerische Schriften, Flugblätter und Zeitungen, die namentlich seit der Französischen Revolution schwarz eingeführt («eingeschwärzt») und von Hausierern («Kolporteuren») verbreitet werden. Immer wieder liest man Warnungen vor eingeschmuggelten Schriften. Diese würden das Denken verwirren, schreibt die bernische Patrizierregierung 1792, und die «so gefährliche» politische «Neuerungssucht» wecken. Die Helvetische Republik ab 1798 bekämpft umgekehrt das «Einschwärzen» von Flugblättern und Broschüren der Gegenrevolution. Nach dem Ende der napoleonischen Jahre stehen dann wieder liberale Publikationen auf den Zensurlisten. 1819 etwa verbietet der Rat der Stadt Luzern den «Schweizerboten» des fortschrittsfreundlichen Heinrich Zschokke, eine Zeitung, die in Aarau ungehindert erscheinen darf. Luzern droht jedem, der dieses Blatt in den Kanton einschmuggelt, mit einer Strafe von 50 Franken. DenunziantInnen erhalten auch hier einen Anteil von fünfzig Prozent.


1840 gründet ein deutscher Pädagoge namens Julius Fröbel in Winterthur ein «Literarisches Comptoir», um darin Schriften von liberalen deutschen «Vormärz»-Dichtern wie dem Lyriker Georg Herwegh herauszugeben. In Kreuzlingen hat schon zuvor ein Konstanzer Rechtsanwalt den Belle-Vue-Verlag eröffnet, neben Büchern druckt er dort um 1840 – direkt an der Landesgrenze – die radikale Zeitschrift «Deutsche Volkshalle», die sich, wie auch die von Fröbel verlegten Schriften, vor allem an ein deutsches Publikum richtet.

1844 gründet der Buchdrucker Johann Michael Schläpfer in Herisau einen Verlag, der ebenfalls subversive Exilliteratur publiziert, 1846 etwa den Gedichtband «Ça ira!» von Ferdinand Freiligrath mit einer Auflage von über 10 000 Stück. Gemeinsam ist den drei Verlegern – und ähnlichen Unternehmen in der Schweiz –, dass sie ihre Schriften zum Zielpublikum schmuggeln müssen. Denn im nahen Ausland werden die Texte jeweils gleich nach Erscheinen verboten.

Von Schläpfer weiss man, dass er Kuriere beschäftigte, die geschmuggelte Schriften über die Grenze nahmen und von dort per Post verschickten. Oft versah Schläpfer das Impressum seiner Publikationen mit falschen Druckorten, um die Kontrolleure zu täuschen. Oder er liess Druckfahnen in Ballen gepresst als Altpapier deklarieren und erst in Deutschland zusammenheften. Viele Schriften druckte er in Kleinformat, damit sie auf der Reise von Herisau nach Leipzig oder Berlin gut versteckt werden konnten, und oft lagerten Titel längst fertig gedruckt in Deutschland, wenn er ihr Erscheinen ankündigte, sodass sie bei der Grenzkontrolle noch auf keinem Zensurindex standen.

Sehr profitabel scheint die Herstellung von aufklärerischer Contrebande nicht gewesen zu sein. Der Belle-Vue-Verlag muss seine Produktion bald einstellen. Julius Fröbel gerät mit dem «Literarischen Comptoir» ins Schussfeld der konservativen Zürcher Regierung. Johann Michael Schläpfer schliesst das politische Verlagsgeschäft nach einer Grossrazzia der deutschen Polizei, die 1853 in Leipzig 13 000 seiner Bücher und Broschüren konfisziert.

Aber bereits in der nächsten Generation lebt der systematische Schmuggel von verbotenen Schriften wieder auf. 1879 erscheint im Zürcher Exil die erste Ausgabe der Zeitung «Der Sozialdemokrat». Ihre eigentlichen Herausgeber sind Gründerfiguren der deutschen Sozialdemokratie, etwa die Reichstagsabgeordneten August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Offizieller Verleger ist der Buchdrucker Conrad Conzett aus Chur, der einige Jahre zuvor eine sozialistische Zeitung in Chicago herausgab. Seine spätere Frau, Verena Conzett-Knecht, erzählt in ihren Erinnerungen, wie sie mit dem Verlobten 1883 die Druckerei besucht:

«Auf einen grossen Stoss Zeitungen weisend, machte Conrad mich aufmerksam: Das ist der ‹Sozialdemokrat›, das Organ der deutschen sozialdemokratischen Partei. Weil in Deutschland verboten, muss er hier gedruckt und auf geheimen Wegen und unter grossen Gefahren über die Grenze geschmuggelt werden. Treuergebene und zuverlässige Leute besorgen diese gefahrvolle Arbeit.»

Joseph Belli, ein süddeutscher Schuhmacher, ist einer dieser «treuergebenen Leute», er organisiert den Transfer sozialdemokratischer Schriften von Kreuzlingen aus mit Konstanzer Kollegen. Um die ständigen Grenzübertritte gegenüber der Grenzwache rechtfertigen zu können, gründen sie in Kreuzlingen eine Kranken- und Sterbekasse, deren Vereinsmitglieder häufig tagen müssen. Die Schmuggelorganisation, die ein «Vertriebsleiter» von Zürich aus koordiniert, geht als «Rote Feldpost» in die Geschichte ein. Belli bringt die Schriften zunächst unter den Kleidern versteckt über die Grenze, grössere Lieferungen transportiert seine Frau im Kinderwagen; zwei Koffer mit der ersten Ausgabe des «Sozialdemokraten» rudert man nachts über den See, deponiert sie auf dem Feld eines Genossen, der sie am nächsten Morgen unter einer Fuhre Klee mit nach Hause nimmt. Dort holt Belli die Koffer ab und verschickt den «Sozialdemokraten» von Konstanz aus an Adressen im ganzen Kaiserreich.

1888 werden Zürcher Redaktion und Vertrieb des «Sozialdemokraten» auf preussisches Bemühen hin ausgewiesen. Die Zeitung erscheint nun in London. Die «Rote Feldpost» an der schweizerisch-deutschen Grenze wird 1890 eingestellt, als die deutschen «Sozialistengesetze» fallen und die Linke wieder halbwegs legal arbeiten kann.


8. Mai 1938. Vor dem Bahnhof Konstanz gerät der Schweizer Metallarbeiter Ernst Bärtschi in einen Hinterhalt der Gestapo. Er wollte einen Flüchtling über die Grenze holen. Bärtschi ist 35 Jahre alt, im Auftrag von exilierten deutschen Gewerkschaftern hat er seit 1933 regelmässig antifaschistisches Propagandamaterial nach Deutschland geschmuggelt und gelegentlich politisch Verfolgte in die Schweiz geführt.

In Konstanz besteht zu jener Zeit eine geheime Anlaufstelle für Gewerkschaftsleute, die vor den Nazis fliehen müssen; Ernst Bärtschi ist also Teil eines Netzes. Die Verfolgten schleust er mit falschen Passierscheinen an der Grenzwache vorbei, oder er rudert sie im Faltboot über den See. Rheinabwärts zwischen Schaffhausen und Singen arbeitet eine Fluchthelferinnen- und Schmugglergruppe auf ähnliche Art, dort allerdings für die Kommunistische Partei. Dieses Netzwerk fliegt schon 1934 auf. Ab 1937 findet auch an der österreichischen Grenze im St. Galler Rheintal ein lebhafter Menschenschmuggel statt: Zunächst werden hier junge Männer in die Schweiz gebracht, die illegal nach Spanien wollen, um aufseiten der Republik den Faschismus zu bekämpfen. Bald kommen Flüchtlinge dazu. Als 1938 die Wehrmacht in Österreich einmarschiert, werden die «Judenschlepper» ständiges Thema von Fremdenpolizei und Presse: Teils handelt es sich bei diesen Menschen um politisch motivierte Leute, die von 1938 bis 1945 an günstigen Stellen unter grösster Gefährdung jüdische Flüchtlinge retten; teils sind es professionelle Schmuggler wie der Vorarlberger Edmund Fleisch in Altach, der 1938 für ein halbes Jahr vom Kaffee- und Zuckerschmuggel auf den Transfer von Menschen umsattelt. Teils arbeiten sie im Auftrag von Organisationen, teils als Freischaffende auf eigene Faust. Am Genfersee schmuggeln ab 1940 auch französische Fischer bedrohte Jüdinnen und Juden in die Schweiz.

Ernst Bärtschi, der 1938 der Gestapo in die Hände fällt, wird vom Volksgerichtshof in Berlin zu dreizehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis Kriegsende sitzt er in deutschen Kerkern.


Januar 1920, Prozess gegen die SchmugglerInnen am Bodensee. Manche schmuggeln gewohnheitsmässig, wie Fischer Ernst A., der zudem dichtet und in Uttwil als Dorforiginal den Übernamen «Döggterli» trägt. Der Fischer Emil E., sein Komplize, bewahrt in einer Kaffeebüchse Rechnungen, Mahnungen und Quittungen auf, die seine Nachfahren Jahrzehnte später entdecken. Auch der Brief eines Fischhändlers liegt in der Büchse; der Händler verkauft Emil E. 1917 ein Motorboot und lässt die Schulden mit Blaufelchen abzahlen. Oder die Reklamation eines anderen Händlers, der ihm das Benzin vorfinanziert und 1923 schimpft, dass er zu wenig Felchen dafür liefere.

Ernst A. erhält wegen des Schmuggels von 25 Kilo Schokolade und versuchten Garnschmuggels einen Monat Gefängnis und 1000 Franken Busse. Falls er das Geld nicht zahlen kann, was wahrscheinlich ist, muss er weitere 200 Tage ins Gefängnis. Emil E., dem nur versuchter Schmuggel nachgewiesen wird, bekommt acht Tage Gefängnis und eine Busse von 150 Franken, während der Wirt K. und der Gestellmacher G., die Köpfe des Unternehmens, zweieinhalb und zwei Monate Gefängnis sowie Bussen von 2000 und 1500 Franken kassieren.

20. Oktober 1922, aus den «Neuen Zürcher Nachrichten», in Deutschland herrscht Inflation: «Nach einem Thurgauer Blatt blüht der Schmuggel an der Konstanzer Grenze so sehr, dass im September allein für die Passierstellen bei Konstanz Geldstrafen von über 2,900,000 Mark ausgesprochen wurden. Dieser Tage wurden zwei badische Bahnangestellte, von welchen einer in Kreuzlingen wohnt, festgenommen, weil sie Kleidungsstücke nach der Schweiz geschmuggelt haben. Ebenso wurde ein schweizerischer Schaffner angehalten, der Leibwäsche aufkaufte und schmuggeln wollte.»

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Damit ist diese Geschichte des modernen Schmuggels natürlich erst am Anfang. Sie sollte nun weitergehen, über unterschiedliche Konjunkturen berichten, verfeinertes Handwerk und stete Wiederholungen. Vielleicht nochmals zu Beginn des Jahrhunderts einsetzen, bei jenen Frauen, die 1904 im Jura giftige Phosphorzündhölzer schmuggelten, um ihre Kinder zu ernähren, Witwe P. in Miécourt oder Witwe C. in Levoncourt. Dann die Uhrenschmuggler, denen die Industrie einiges verdankte, zum Beispiel Herr S. aus Mantua, der 1910 fünfzig Taschenuhren in seinem grossen Holzbein nach Italien transportierte. Knechte, die für ihre Bauern ein paar Ferkel über den Rhein brachten, und Bauern, die ganze Viehherden illegal über die grüne Grenze trieben. Auch die heute verbreitete Holstein-Kuh kam zuerst als Schmuggelgut in die Schweiz. Das Einschwärzen von Waffen, Kaffee und immer wieder von Tabak. In den sechziger Jahren erlebte der Zigarettenschmuggel nach Italien einen ungeheuren Boom: Halbe Bergdörfer lebten davon, und weil die Ware in der Schweiz ordentlich versteuert war, flossen von 1961 bis 1972 rund 880 Millionen aus diesem Geschäft direkt in die AHV. Schliesslich der Schmuggel von Devisen, Wertschriften und Gold, etwa 1981 nach dem Wahlsieg der SozialistInnen in Frankreich. Alkoholschmuggel mittels Zisternenwagen. Drogenschmuggel im Darm von FlugpassagierInnen. Kommerzieller Schmuggel mit Milchpulver, Butter, Käse und Fleisch sowie – 1983 – mit Feuerzeugen. Mit Chinchillas und Hunden, exotischen Tieren aller Art. Auch das Einschmuggeln von italienischen Babys müsste erwähnt werden, denen die Einreise verweigert wurde, weil ihre Eltern Saisonniers waren, oder neuere Versuche in den letzten Jahren, mit Hilfeleistungen bei Grenzübertritten die flüchtlingspolitische Abschottung zu umgehen. Das alles wird, es versteht sich, ein anderes Mal erzählt.