Von oben herab: Treffpunkt Keller
Stefan Gärtner über die Ueli-Maurer-Show
Mit ihrem Onlineformat «Bi de Lüt» ist die SVP ganz nah bei den Sorgen der Leute, und droht eine sog. Konzernverantwortungsinitiative, dann stellt die Kommunikationsbeauftragte heikle Fragen, und Ueli Maurer sitzt in seinem Keller neben einer Schweizerfahne und sagt eine halbe Stunde lang, was Sache ist. Dabei würden sechseinhalb Minuten reichen.
1’30’’: «Wir reden nicht nur über die Grossen, sondern auch über die KMU … Das ist schon etwas, wo man vorsichtig sein muss.» Immer auf die Kleinen, zumal die Kleinen und Mittleren Uelis, das kann nicht richtig sein, und Bundesrat Ueli Maurer (1,56 m) steht dafür ein. Oder besser: sitzt, vor einer blauen Wand mit Alpenmotiv, wie man sie sich kleinbürgerlicher weder ausmalen kann noch will. Vorsicht ist in jedem Fall die Mutter der Schweizer Porzellankiste, und auch hier ist Ueli an der Seite des Schweizervolks, das sich vorm dräuenden Sozialismus in seine Keller zurückgezogen hat.
2’04’’: «Das liegt ja im Interesse von jedem grossen Unternehmen, dass sie nicht in ein schiefes Licht kommen.» Geht es Ueli auch zuerst um die Kleinen, geht es ihm doch genauso um die Grossen, denn erst das ist Gleichberechtigung, wie sie auch in Konzernen auf der Tagesordnung steht, deren Umsätze höher sind als die Bruttoinlandsprodukte der Länder, die dafür herhalten müssen. Da könnte doch der Chef von Glencore keine Minute mehr schlafen, wenn ihm die Rechte des Hauspersonals nicht genauso wurscht wären wie die irgendwelcher Heloten und Sklavinnen «im fernen Afrika» (Maurer)! Und dass die Konzerne in einem schön geraden Licht dastehen, dafür sorgt dann eine Volkspartei, die dem Hauspersonal klarmacht, dass es ein Anschlag auf seine Freiheit wäre, wenn andere plötzlich dieselben bescheidenen Rechte hätten wie es selbst. Und dass es, wo es schon nichts verdient, wenigstens günstigen Kaffee trinken können muss, auch wenn Klugscheiss-Initiativen den Eindruck erwecken, dass die Schweiz ihren Wohlstand der Ausbeutung in den Entwicklungsländern verdankt.
3’08’’: «Das ist überhaupt nicht so, im Gegenteil. Dadurch, dass die Schweiz in solchen Ländern investiert und in solchen Ländern Verdienstmöglichkeiten schafft, tragen wir eigentlich dazu bei, dass es vielen von diesen Schwellenländern besser geht. Sie können ihre Produkte verkaufen, wir zahlen anständige Löhne … In diesen Ländern ist niemand, der Geld hat, um einen Stollen zu bauen, eine Eisenbahn, Strassen», einen Keller mit Alpenmotiv. «Darum ist es eben wichtig, dass Länder mit einer starken Wirtschaft und einem höheren ethischen Verständnis in diesen Ländern tätig sind und dafür sorgen, dass die Bevölkerung, die nicht viel hat», irgendein ethisches Verständnis z. B., «Verdienstmöglichkeiten hat.» Denn besser zwei Dollar am Tag als gar nichts verdienen; besser in den Diensten eines Schweizer Auslands schuften als in Eigenregie, wo doch selbst das Geld für eine Eisenbahn fehlt! Naiv ist es da, am patriarchalen Weltwirtschaftsverhältnis zu deuteln, wo die einen Geld, Ahnung und ethisches Verständnis haben und die anderen bloss ihre Arbeitskraft.
5’45’’: «Wenn die Initiative gewinnt, werden sich viele Unternehmen überlegen, ist die Schweiz noch ein Standort, wo man in den nächsten fünf, zehn Jahren, zwanzig Jahren investiert … Wir sollten keine Unsicherheit streuen, wir sollten Sicherheit streuen.» Und zwar nicht für die, die Tag für Tag nach fremder Pfeife tanzen, sondern für die, die tanzen lassen.
6’23’’: «Das passt doch nicht zur Schweiz, dass wir moralisierend auf der ganzen Welt sagen, wir sind die Besten, unsere Massstäbe gelten jetzt.» Dabei geht es Ueli und seiner Wirtschaft doch genau darum: dass ihre unmoralischen Massstäbe auch in Zukunft gelten. Denn spielte Moral eine Rolle, dann gälten ja plötzlich andere Massstäbe.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.