Brief an Marco Cortesi: Mit Handschellen und Witzchen

Nr. 4 –

Lieber Herr Cortesi

Wir wurden nie so ganz warm miteinander. Linke Medien mochten Sie halt nicht so gerne. Schliesslich waren Sie ja nicht nur der WOZ und dem «Lamm» gegenüber immer etwas kurz angebunden oder schnoddrig im Ton. Mit dem Radio Lora redeten Sie nicht, auch «Tsüri.ch» und Sie wurden keine Freunde. Aber für Tele Züri, Radio 24 und die NZZ, für die hatten Sie immer Zeit. Bei Radio 24 hatten Sie mit dem «Morgenrapport» sogar ein eigenes Format.

«Rasch, offen und transparent»: So haben Sie jeweils Ihre Kommunikationstaktik beschrieben. Sie kommunizierten für die Stapo allerdings auf eine Art, die höchstens jenen zusagen konnte, die ohnehin von Anfang an davon ausgingen, dass die Polizei immer im Recht ist.

Nun, Herr Cortesi, wurden Sie pensioniert. Und die halbe Schweizer Medienlandschaft huldigte Ihnen mit mehrseitigen Interviews, Porträts, ja sogar einen SRF-Dok gibt es jetzt über Sie. Ihre medienwirksame Pensionierung nutzten Sie jedoch nicht einmal ansatzweise dafür, kritisch auf Ihre Arbeit und jene der Stapo zurückzublicken. Stattdessen rennen Sie zurzeit offenbar von einem Interview zum nächsten. Der Personenkult um Sie scheint Ihnen wie auch Ihrem Publikum zu gefallen.

Im Abgang geben Sie den «Beamten bi de Lüüt», den Cop zum Anfassen. Da legten Sie dem «Weltwoche»-Journi aus Jux Handschellen an, kochten mit SRF in der heimischen Stube, fuhren mit «Promitipp.ch» Taxi und schüttelten dort auch das Sponsorengetränk wie ein Weltmeister. Dabei immerzu der Strahlemann, immerzu ein Witzchen parat, eine sympathische Anekdote, und wenn nichts hilft: eine Geschichte aus Ihrer Zeit als Skilehrer oder ein Sätzchen auf Rumantsch.

«Gab es eine Regel, die Sie durchsetzen mussten, moralisch aber nicht vertreten konnten?», fragte Sie die «Weltwoche». Racial Profiling? Polizeigewalt? Ausschaffungen? Hartes Vorgehen gegen Randständige? Sie störten sich an einem «unnötigen» Tempo-30-Schild. Es wurde wirklich Zeit, dass Sie gehen.

Freundliche Grüsse, Natalia Widla