Kommentar zum Freihandelsabkommen mit Indonesien: Der heilige Gral

Nr. 7 –

In der Debatte ums Freihandelsabkommen mit Indonesien hat SP-Politiker Fabian Molina den Blick aufs grosse Ganze verloren. Es geht um die beschleunigte Ausbeutung des Landes.

Wie dreist kann eine Abstimmungskampagne sein? Economiesuisse schickt auf Plakaten einen Steinbock nach Indonesien, der dort von einem dankbaren Orang-Utan umarmt wird. Dabei haben Schweizer Konzerne wie Nestlé oder Credit Suisse einen bedeutenden Anteil an der Abholzung des Lebensraums des vom Aussterben bedrohten Affen.

Nun erstaunt nicht, dass Economiesuisse im Kampf für den Freihandelsvertrag mit Indonesien keine Skrupel kennt: Schliesslich haben die indonesischen Eliten den roten Teppich für ausländisches Kapital ausgerollt. Kommt her, investiert in Palmöl, Bodenschätze, gigantische Infrastrukturprojekte! Erstaunlicher ist, dass sich Aushängeschilder der SP, allen voran Ex-Juso-Chef Fabian Molina, vor diesen Karren spannen lassen. Egal ob an der Medienkonferenz der Economiesuisse-Kampagne oder in der «Arena»: Molina predigt das Hohelied der Nachhaltigkeit, behauptet, dass «die Menschen und die Natur in Indonesien» profitieren würden. Glücklich der Wirtschaftsdachverband, der das Greenwashing an einen Linken outsourcen kann.

Indonesien führt im Osten des Landes einen Krieg gegen die Bevölkerung, weil dort Ressourcen darauf warten, mit ausländischem Kapital erschlossen zu werden. Während andernorts riesige Flächen Wald dem globalen Palmölhunger bereits weichen mussten, steht die Abholzung des Regenwaldes hier noch bevor (siehe WOZ Nr. 3/2021 ). In der Regierung sitzen mehrere hohe Exmilitärs auf entscheidenden Posten. Sie stehen über dem Gesetz, mussten sich auch für übelste Verbrechen nie verantworten. Der autoritäre Backlash ist seit Jahren zu spüren: Die LGBT-Community wird im Parlament wie auf der Strasse angegriffen. Und wer die Regierung kritisiert, muss mit heftigen Repressalien rechnen.

Lange Zeit war die Zivilgesellschaft gespalten; ein Teil setzte noch Hoffnungen in Präsident Joko Widodo. Das ist jetzt vorbei: Die Regierung hat ein umfassendes Gesetzespaket durchgesetzt, das den Umweltschutz und die Rechte der ArbeiterInnen schleift (siehe WOZ Nr. 6/2021 ). Das freut Economiesuisse. Die Annahme des Freihandelsabkommens brächte für Schweizer InvestorInnen zudem Rechtssicherheit, wie ihr Leiter Aussenwirtschaft den «Schaffhauser Nachrichten» sagt. Die Rücknahme des Gesetzespakets durch eine Nachfolgeregierung würde also bereits getätigte Investitionen nicht betreffen. Kein Wunder, haben letzte Woche sechzehn Organisationen aus Indonesiens Zivilgesellschaft ihr Parlament in einem offenen Brief gebeten, das Abkommen nicht zu ratifizieren.

Das alles ist für gewisse NGOs wie den WWF oder Swissaid, deren Präsident Fabian Molina heisst, nebensächlich. Denn sie haben den heiligen Gral gefunden, den sogenannten PPM-Ansatz. Dieser knüpft Zollreduktionen an die Art und Weise, wie ein Produkt entstanden ist. Dass dieser Ansatz erstmals in ein Freihandelsabkommen aufgenommen wurde, ist zwar erfreulich; im konkreten Fall gibt es aber gleich mehrere Haken: Erstens betrifft der Mechanismus nur das Palmöl, das direkt in die Schweiz importiert wird. 2019 war das so wenig, dass es in zwei Frachtcontainern Platz gehabt hätte. Wie soll das Anreize schaffen?

Zweitens gibt es gar kein wirklich nachhaltiges Palmöl aus Indonesien. Darüber sind sich die ExpertInnen einig. Drittens versprach Molina eine Hebelwirkung des neuen Ansatzes: Kein künftiges Freihandelsabkommen werde dahinter zurückfallen – auch jenes mit den Mercosur-Staaten nicht (siehe WOZ Nr. 4/2021 ). Dieses Abkommen ist indes bereits fertig verhandelt – ganz ohne PPM. Isolda Agazzi von Alliance Sud hält es für sehr unwahrscheinlich, dass das nachträglich noch eingefügt werden wird.

Dass Molina ob seines PPM-Erfolgs den Blick aufs grosse Ganze verloren hat, das sieht auch die SP-Parteibasis so: Am Samstag hat sie die Empfehlung der Parteileitung gekippt und die Nein-Parole beschlossen – lange nach den Grünen. Derweil ist laut der jüngsten Tamedia-Umfrage das Rennen an der Urne noch völlig offen.