Auf allen Kanälen: Schutzgeld für Medienfreiheit

Nr. 8 –

In Polen haben zahlreiche private Medien gegen eine geplante «Solidaritätssteuer» gestreikt. Diese könnte regierungskritische Medien in ihrer Existenz bedrohen.

«Hier sollten eigentlich unsere Inhalte einsehbar sein. Wenn die Pläne der Regierung aber umgesetzt werden, kannst du sie vielleicht bald tatsächlich nicht mehr aufrufen.» Mit diesem Text konfrontiert sah sich, wer am 10. Februar eine Website von privaten Medien in Polen aufrief.

Zahlreiche nationale und lokale Zeitungen erschienen mit komplett geschwärzten Titelseiten, private TV-Sender sendeten einen Tag lang nicht und Radios 24 Stunden lang nur Musik oder Statements zum Medienstreik. Über jenem Text stand in grösseren Lettern: «Medien ohne Wahl», darunter der Link zu einem offenen Brief an die polnische Regierung, unterzeichnet von 47 Medienunternehmen. Was sich da abspielte, war der wohl grösste Medienstreik in der Geschichte Polens – und der vorläufige Höhepunkt einer bedenklichen Entwicklung.

Die neue Abgabe wurde vom Finanzministerium angekündigt und soll in Kürze eingeführt werden. Sie soll unter anderem Medienunternehmen, Aussenwerbung und Kinos betreffen – kurzum alle nichtstaatlichen Orte, an denen Werbung geschaltet werden kann. Der Prozentsatz der Abgabe variiert je nach Höhe der Werbeeinnahmen, Umsatzerlösen und Betriebsart. Die Hälfte der geplanten Einnahmen soll dazu verwendet werden, den nationalen Gesundheitsfonds zu stärken, der Rest in unterschiedliche Fonds für Kultur, Denkmalschutz und «nationales Erbe» fliessen.

«Repolonisierung»

Von der Abgabe betroffen wären nicht nur polnische Medien, sondern auch ausländische Verlagshäuser sowie internationale Techgiganten wie Google oder Facebook, die ebenfalls für ihre Werbeeinnahmen besteuert würden. Gerade im Hinblick auf den Einfluss ausländischer Medien spricht die regierende rechtsnationalistische PiS immer wieder von einer geplanten «Repolonisierung» der Medienlandschaft. Es könne nicht sein, so die Partei, dass ausländische Medien in Polen den Diskurs mitgestalten.

Doch der Begriff «Repolonisierung» ist trügerisch: Während sich Facebook und Co. die neue Steuer zähneknirschend werden leisten können und auch die meisten der betroffenen ausländischen Verlagshäuser nicht am Hungertuch nagen, könnte die Abgabe für kleinere nationale oder lokale polnische Medien, die ohnehin von der Pandemie gebeutelt sind, das Ende bedeuten. Denn auch in Polen sind die Werbeeinnahmen im Schnitt um rund fünfzig Prozent zurückgegangen, viele Titel, die nicht zu den PiS-treuen Staatsmedien gehören, stehen jetzt schon vor dem Aus. Gemäss dem von der PiS kontrollierten Staatssender TVP – inhaltlich eher vergleichbar mit Fox News denn mit SRF – würde die neue Abgabe zum Beispiel den konkurrierenden, sehr beliebten und regierungskritischen Sender TVN «stark treffen».

Verbote zu heikel

Das Finanzministerium spricht von einer «Solidaritätsabgabe», diverse Medien hingegen von einem «Schutzgeld», das es an die Partei zu verrichten gelte, um fortbestehen zu dürfen. Zu oft schon hatten PiS-VertreterInnen öffentlich gegen die unabhängigen Medien gewettert und gehetzt, die sie als linksgesteuerte Propagandamaschinen bezeichnen.

Seit ihrer Machtübernahme 2015 ist die PiS darum bemüht, Polen in einen autoritären Staat ohne Gewaltentrennung und mit staatlicher Kontrolle über alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu verwandeln. Die PiS kontrolliert nicht nur die Judikative, sie hat auch Kultur und Geschichtsschreibung des Landes bereits fest im Griff (siehe «‹Die PiS beansprucht ein Monopol auf den Patriotismus›», WOZ Nr. 38/2020 ).

Unabhängige, gar regierungskritische Medien sind der Partei schon lange ein Dorn im Auge, aber diese totzukriegen, besonders wenn sie online erscheinen, ist nicht so einfach. Und Verbote auszusprechen, würde das Land noch tiefer in den Konflikt mit der EU treiben, die die polnische Regierung wiederholt wegen deren autoritärer Tendenzen, der Weigerung gegenüber dem EU-Verteilschlüssel für Geflüchtete und zuletzt des Umgangs mit LGBT-Personen kritisiert hat. Eine vermeintlich solidarische Abgabe in Pandemiezeiten erscheint ihr hingegen wie die ideale Lösung.