Wahlen in Deutschland: Kein Abo aufs Kanzleramt
Eigentlich versprach das «Superwahljahr» wenig Spannung, die künftige Zusammensetzung der deutschen Regierung schien ausgemacht: Statt mit der SPD würde die Union halt mit den Grünen kutschieren. Inhaltlich wären die Unterschiede ohnehin nicht mehr gross, sind doch die Grünen stark in die bürgerliche Mitte gerückt. Doch dann kam am Sonntag mit den Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg der erste Stimmungstest – und plötzlich ist die Lage nicht mehr so klar.
Landtagswahlen sind Personenwahlen. Machen AmtsinhaberInnen also keine groben Fehler, haben sie gute Chancen, ihren Posten zu behalten. Nach diesem Grundsatz wurden am Sonntag auch die MinisterpräsidentInnen bestätigt. In Baden-Württemberg gaben fast 33 Prozent dem Grünen Winfried Kretschmann die Stimme, der mit dem – von Angela Merkel geklauten – Slogan «Sie kennen mich» angetreten war. Sogar viele CDU-WählerInnen wollten lieber ihn als die eigene Kandidatin. Mit einem ähnlichen Kontinuitätsversprechen siegte in Rheinland-Pfalz auch SPD-Frau Malu Dreyer.
So weit, so erwartbar. Und für das linke Elektorat gab es wenig zu feiern. Die Linkspartei blieb chancenlos, Kretschmanns konservative Grüne unterscheidet ohnehin praktisch nichts von der CDU. In Rheinland-Pfalz dürfte sich an der rot-grün-gelben Ampelkoalition dann auch nichts ändern, in Baden-Württemberg wird neben dem Fortbestand von Grün-Schwarz ebenfalls eine Ampel möglich.
Bemerkenswert sind nach dem Wahlsonntag hingegen die Verluste der AfD wie das desaströse CDU-Ergebnis. Erstere verlor je rund ein Drittel ihrer WählerInnen. In Baden-Württemberg gingen ihre Direktmandate an die Grünen, so auch im historisch links geprägten Mannheimer Norden, wo die AfD beim letzten Mal einen aufsehenerregenden Sieg feiern konnte (siehe WOZ Nr. 10/2021 ). Dass viele ehemalige AfD-WählerInnen diesmal gar nicht an die Urne gingen, zeigt eindeutig: Für die anderen Parteien lohnt es sich nicht, mit Zugeständnissen um sie zu buhlen.
Wie ein Fanal für die Bundestagswahl wirkt derweil die Schlappe für die CDU. Und da viele diesmal per Brief wählten, schlug sich in den Ergebnissen noch gar nicht die Empörung über Maskendeals und fragwürdige Aserbaidschan-Connections von Bundestagsabgeordneten nieder. In Berlin dürfte nun auch den letzten klar sein, dass es nach sechzehn Jahren Machtverwaltung kein Abo aufs Kanzleramt gibt. Auch wenn Rot-Rot-Grün weiterhin wenig realistisch ist, ist das Feld nun immerhin wieder weiter offen.