Corona Call (10): Christoph Brönnimann: Die Reitschule-Beiz im Behördendschungel

«Wir sind ein Kollektiv aus aktuell 44 Leuten, die das Restaurant Sous le Pont und die Rössli-Bar in der Reitschule betreiben. In Bern kennen uns alle – es gibt uns ja auch seit über 25 Jahren. Vor der Pandemie hatten wir hier häufig Hunderte von Menschen in und ums Haus, von Teenies bis hin zu Anzugträgern oder Leuten von der Gasse. Das ganze Tohuwabohu ist faszinierend. Natürlich gibt es Reibereien, manchmal kommt es auch zu Handgreiflichkeiten. Als Kollektiv haben wir da unsere Strategien, versuchen, Konflikte möglichst gewaltfrei zu lösen. Davon mal abgesehen macht es vor allem Spass, hier zu arbeiten. Und auch wenn eine Schicht im Service oder an der Bar sehr stressig sein kann – beim Feierabendbierchen danach hast du ein gutes Gefühl.
Wir sind basisdemokratisch organisiert. Das heisst nicht, dass alle zusammen das Mittagsmenü vom Dienstag festlegen – aber die wichtigen Sachen diskutieren wir aus. Wir sind im Stundenlohn angestellt, alle verdienen gleich viel: etwa zwanzig Franken die Stunde. Wir sind gleichzeitig Arbeitgebende und Arbeitnehmende. Sich einfach gewerkschaftlich organisieren und dann beim Chef antanzen läuft hier nicht. Dem kleinen Lohn stehen gewisse Sozialleistungen gegenüber, zum Beispiel zahlen wir freiwillige Kinderzulagen. Und das Trinkgeld ist wichtig.
Als wir vor einem Jahr plötzlich schliessen mussten, war das ein Schock – zunächst waren wir und auch die Ämter komplett überfordert. Wir haben Kurzarbeit beantragt und für März, April und Mai auch ausbezahlt bekommen. Ab Juni gabs dann nichts mehr. Die Begründung: In einem basisdemokratischen Kollektiv würden alle im obersten Entscheidungsgremium sitzen, weswegen auch alle als Personen in ‹arbeitgeberähnlicher Stellung› gelten – für die das Kurzarbeitssystem nicht gedacht ist. Wir haben Einsprache gemacht, im Moment liegt der Fall beim Verwaltungsgericht. Es ist unklar, wann es entscheidet.
Dann gab es die Möglichkeit des Erwerbsersatzes – eigentlich für einzelne Firmeninhaber gedacht. Entsprechend ist der Aufwand hoch, wenn du 44 Leute anmelden willst. Es kam raus, dass nur etwa zwei Drittel von uns anspruchsberechtigt sind. Wir haben entschieden, trotzdem weiterhin allen achtzig Prozent ihres Lohns auszuzahlen – wir decken das mit einem Coronakredit und Erspartem. Lange halten wir das nicht mehr durch; wenn wir nicht in spätestens zwei Monaten Hilfsgelder bekommen oder wieder rentabel geschäften können, wirds eng. Für uns Mitarbeitende ist es eh prekär, mit achtzig Prozent Lohn und ohne Trinkgelder kommst du nirgends hin.
Mitte November sagte Ueli Maurer, es würden schnell und unkompliziert Härtefallgelder ausbezahlt. Das gab uns Hoffnung. Denkste: Obwohl ihn der Bund nicht dazu verpflichtet, verlangt der Kanton Bern für Härtefallgesuche einen Handelsregistereintrag. Zähneknirschend haben wir uns einzutragen versucht, das eidgenössische Handelsregisteramt lehnte den Eintrag jedoch ab. Als Verein dürften wir keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, hiess es. Wir haben also unsere Statuten angepasst, um das Ideelle hervorzuheben und zu betonen, dass wir unsere kulturellen Veranstaltungen quersubventionieren. Aber es kam wieder eine Absage: Diesmal hiess es, Restaurants würden per se einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen und könnten demnach nicht als Verein eingetragen werden.
Und so sind wir weiter viel am Rechnen und hoffen, dass bald etwas geschieht. Unser Buchhalter fand: ‹Entlasst doch alle und holt euch das Geld übers RAV zurück.› Angeblich würden das alle so machen. Aber das ist das Allerletzte, was wir als Kollektiv tun wollen.»
Christoph Brönnimann (30) stiess vor gut sechs Jahren zum «Sous le Pont», dem Restaurant der Berner Reitschule. Der gelernte Informatiker arbeitete vor der Pandemie zwei bis drei Schichten pro Woche an der Bar oder im Service und einen Tag im Büro des Betriebs.