Pressefreiheit: WOZ-Autorin in Ungarns Staatsfernsehen attackiert

Nr. 15 –

Abends zur Primetime sah man im ungarischen Staatsfernsehsender M1 plötzlich WOZ-Autorin Franziska Tschinderle gross im Bild. Leider aus wenig erfreulichem Grund: Im dreiminütigen Beitrag von vergangenem Mittwoch wurde Tschinderle unter anderem als «Amateurjournalistin» diffamiert. Der Angriff erfolgte, weil sie im Rahmen einer Recherche für das österreichische Magazin «Profil» zusammen mit einer Kollegin drei harmlose Fragen an die Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz im EU-Parlament geschickt hatte, die sich um eine mögliche neue Rechtsfraktion drehten. Ein Screenshot der Fragen landete bei M1, das daraus eine bizarre Geschichte über eine «Attacke» durch die «europäische linksliberale Presse» spann. Am nächsten Tag folgte dann ein weiterer Bericht, in dem jene denunziert wurden, die sich mit Tschinderle solidarisch gezeigt hatten.

Dass die Fidesz-Abgeordneten die drei sachlichen Fragen nicht einfach sachlich beantworteten, sondern an eine regierungshörige Fernsehredaktion weiterleiteten, könnte von einer gewissen Nervosität zeugen. Denn auf europäischem Parkett stehen Ministerpräsident Viktor Orban wegweisende Monate bevor: Nach dem erzwungenen Austritt des Fidesz aus der christdemokratisch-konservativen Fraktion EVP strebt Orban an, was zuvor noch niemandem gelang: den grossen Schulterschluss rechts der europäischen Volksparteien und damit den Aufstieg zur zweitstärksten Parlamentsfraktion hinter der EVP. Bislang standen die Nationalismen der europäischen Rechten einer umfassenden Fraktionsbildung noch im Weg.

Im Detail lässt sich all das in der empfehlenswerten «Profil»-Recherche von Franziska Tschinderle nachlesen: Sie kam auch ohne Fidesz-Stellungnahme zustande. Überhaupt betont die Journalistin, dass das Hauptaugenmerk in dieser Affäre, in der sich zahlreiche österreichische PolitikerInnen zu Wort meldeten, nicht auf ihr liegen solle, sondern auf dem Zustand der Medienfreiheit in Ungarn: Fernsehen und Presse sind mittlerweile vollständig in regierungsnahen Händen; kritische JournalistInnen stehen unter gewaltigem Druck. «Ihnen gilt unsere vollste Solidarität», so Tschinderle.