Auf allen Kanälen: Halbe Sachen

Nr. 17 –

Die Redaktionen von «Bund» und BZ, die zusammengelegt werden sollen, widersprechen der Schönfärberei der Tamedia-Chefs. Leider etwas spät.

Und dann kam sie doch noch, die Reaktion der Betroffenen: Mitte April veröffentlichten die MitarbeiterInnen der beiden Berner Zeitungen ein Manifest, um der «einseitigen Darstellung» von Tamedia zur Zusammenlegung von «Bund» und BZ entgegenzutreten. Kurz zuvor hatte die Geschäftsleitung über die definitiven Zukunftspläne informiert: Die heute noch eigenständigen Lokalteile sollen auf Oktober «zu einer schlagkräftigen Redaktion zusammengeführt» werden, zwanzig Vollzeitstellen sollen abgebaut werden – das betrifft ein Drittel der rund hundert angestellten JournalistInnen.

Ein sozialeres Programm

«Wir wollen keine halben Sachen», schreiben die Verfasser des Manifests. Sie kritisieren die geplanten Entlassungen und das Kommunikationsverhalten der Tamedia-Geschäftsleiter Marco Boselli und Andreas Schaffner sowie der Chefredaktoren Simon Bärtschi und Patrick Feuz, die seit sechs Monaten über das Sparprogramm beraten würden. «Gegenüber den Mitarbeitenden von ‹Bund› und BZ wurde in dieser Zeit nur ungenügend beziehungsweise gar keine Transparenz hergestellt.» Das Manifest fordert, die Zahl der Entlassungen zu minimieren, ein sozialeres Programm und umfassende Information über die nächsten Schritte sowie eine Prüfung, ob das Festhalten an den Marken «Bund» und BZ gegenüber den LeserInnen redlich ist – beide Zeitungen sollen ja vollständig von derselben Redaktion bespielt werden.

Dem Branchenportal persoenlich.com sagte der langjährige BZ-Redaktor und Mitglied der Personalkommission Jürg Steiner, der seine Stelle gekündigt hat, es sei vor allem die Art der Kommunikation an der MitarbeiterInnen-Info gewesen, die die Angestellten geärgert habe, «dass Floskeln wie ‹Synergien nutzen› und ‹schlagkräftige Redaktion aufbauen› fielen, die wir Journalistinnen und Journalisten bei anderen Unternehmen kritisieren und die uns hellhörig machen, dass etwas nicht so benannt wird, wie es sollte.»

Allerdings ist diese Kommunikation bei Tamedia nichts Neues, sondern scheint seit Jahren Teil einer auf Einsparungen und Zusammenlegungen fokussierten Geschäftsstrategie zu sein, die gut funktioniert: Man schweigt, vertröstet auf später, beschönigt, appelliert an den Zusammenhalt und fordert einen selbstlosen Einsatz für den Betrieb. Als vor über drei Jahren die Kompetenzzentren in Bern, Zürich und Lausanne gegründet wurden, die seither BZ, «Bund» und eine grosse Anzahl weiterer Zeitungen mit denselben Artikeln über Ereignisse im Ausland, in der Schweiz, in der Wirtschaft, in Kultur und Gesellschaft beliefern, versicherte das Tamedia-Management laut dem Onlinemagazin «Republik»: «Mit der Einführung der neuen Organisation sind keine Kündigungen verbunden.» Was, wie sich schon bald herausstellte, so nicht wirklich stimmte.

Eine Folge dieser Taktik ist, dass die Betroffenen kaum aufmucken, in der Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen. Kritisch geäussert haben sich die meisten (wenn überhaupt) anonym – aus Angst, ihre Stelle zu verlieren. So auch im Oktober, als die Geschäftsleitung erstmals die Zusammenlegung der lokalen Ressorts von «Bund» und BZ kommunizierte (siehe WOZ Nr. 45/2020 ). Damals haben sich zwar die MitarbeiterInnen des «Bunds» in einem offenen Brief an Verwaltungsratspräsident Pietro Supino gegen die Fusionspläne geäussert – allerdings im Alleingang ohne BZ.

Verpasste Chance

Eine Ausnahme war das «Risotto gegen den Einheitsbrei», das BZ- und «Bund»-Mitarbeitende 2017 zusammen kochten. Dass nun die Belegschaft erneut gemeinsam an die Öffentlichkeit geht, ist zwar erfreulich. Doch es stellt sich die Frage, wozu man sich als LeserIn noch für eine Zeitung einsetzen soll, die kein eigenes Profil mehr hat.

Anstatt die beiden Zeitungen individuell zu positionieren – den «Bund» als linke Zeitung für die LeserInnen der linksten Stadt der Schweiz, die BZ als Zeitung für den bürgerlich-rechten Kanton – hat Tamedia die Blätter schleichend zu einem gemacht und zusammengeworfen mit den anderen Tamedia-Zeitungen. «Im Kapitalismus wird – wie das Berner Beispiel zeigt – so lange fusioniert, bis ein Monopol entsteht, das wusste schon Karl Marx», schrieb der ehemalige «Bund»-Chefredaktor Hanspeter Spörri in einem Text in der WOZ vor vierzehn Jahren, als Tamedia, bereits Besitzerin der BZ, auch Besitzerin des «Bunds» wurde. Das mit dem Monopol hat Tamedia nun definitiv erreicht.