Pop: Rühren, Klopfen, Streicheln
Wenn Tony Allen am Schlagzeug sass, so sah das aus, als taste er sich langsam in die Songs hinein; es schien, als wüssten seine Hände stets intuitiv, was zu tun sei, wohin der Drumstick als Nächstes gleiten müsse. Am 30. April 2020 ist der grosse nigerianische Drummer 79-jährig gestorben. Zu seinem ersten Todestag ist nun das Album «There Is No End» erschienen.
Berühmt wurde Allen als Afrobeatpionier in Fela Kutis Band in den siebziger Jahren, später war er an verschiedensten Bandprojekten wie The Good, the Bad and the Queen, dem Moritz von Oswald Trio oder seinem Duo mit Trompeter Hugh Masekela beteiligt.
Auch «There Is No End» ist ein Kollaborationsprojekt: Der Altmeister hat kurz vor seinem Tod Hip-Hop-Drumsounds für insgesamt dreizehn jüngere Grime- und Rap-KünstlerInnen eingespielt. Allen bereitet der sambisch-australischen Rapperin Sampa the Great im vielleicht stärksten Song («Stumbling Down») mit seinem polyrhythmischen Spiel den Boden für ihre lässig dahingeworfenen Lines. Für den US-Rapper Danny Brown entwirft er mit «Deer In Headlights» einen am Old-School-Hip-Hop geschulten Beat. Und bei «Cosmosis», einem Spoken-Word-/Rap-Track mit dem britischen Musiker Skepta und dem nigerianischen Schriftsteller Ben Okri, lässt er Snare und Hi-Hat so hüpfend klingen, wie wohl nur er das konnte.
Dass die ausgewählten Gäste aus so unterschiedlichen musikalischen und geografischen Ecken kommen, dient dem Album: Die kenianische Künstlerin Nah Eeto ist etwa hörbar von der Hip-Hop-Szene ihres Heimatlandes beeinflusst – in «Mau Mau» dominieren Percussions, Bass und Sprechgesang. Ganz anders beim US-Rapper Lord Jah-Monte Ogbon – hier sind Anleihen an Boom-Bap genauso zu hören wie an den zeitgenössischen Sound des Labels Brainfeeder, das auf elektronische Musik und instrumentalen Hip-Hop spezialisiert ist. Immer erweist sich Allen als Beatmaker mit einzigartigem Stil: Das Rühren und Klopfen auf der Snare, das Streicheln und Anticken der Hi-Hat, das Geklacker auf den Trommelrahmen, all das ist typisch Tony Allen. «There Is No End» ist eine wunderbare posthume Erinnerung an diesen grossen Künstler.
Tony Allen: There Is No End. Blue Note/Universal. 2021