Kost und Logis: Wunschkindmogelpackung
Karin Hoffsten bestaunt eine Innovation auf dem Versicherungsmarkt
«Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.» So brachte Wilhelm Busch eine menschliche Grundwahrheit auf den Punkt, die zweifellos auch für Mütter gilt: Wenns klappt, gehts schnell. «Ersteres wird gern geübt, weil es allgemein beliebt», gehts bei Busch weiter, womit zu seiner Zeit jedoch nur Männer gemeint waren.
Inzwischen üben es – so freiwillig – alle Geschlechter gern. Doch mit der Elternschaft klappt es mitunter nur unter Mühen oder gar nicht; und obwohl sich die Beteiligten brennend Nachwuchs wünschen, wird das Üben mit der Zeit unbeliebter, bis es schliesslich zur Last wird – Verzweiflung macht sich breit.
Nun ist hier nicht der Ort, sich vertieft damit zu befassen, weshalb manche ihr Leben nicht mehr lebenswert finden, sobald sie realisieren, dass es schwierig wird, ihr eigen Fleisch und Blut zu zeugen. Sie suchen Hilfe bei den ausgeklügelten Methoden moderner Fortpflanzungsmedizin, um doch noch ein blutsverwandtes Kind zur Welt bringen zu können.
Je nachdem, wo die Ursachen fürs Problem liegen, funktioniert das im In- oder auch im Ausland, weil die gewünschte Methode in der Schweiz verboten ist. Doch egal, was man wählt: Alle Möglichkeiten, anders als mittels Sex zu einem leiblichen Kind zu kommen, kosten Geld – sehr viel Geld! Für die ersten drei Versuche mit künstlicher Befruchtung im Mutterleib zahlt zwar die Grundversicherung, doch jeden weiteren Versuch oder andere Methoden zahlen die Betroffenen selbst.
Wie für alles, was Geld kostet, gibts in der Schweiz auch dafür eine Versicherung. «Für höhere Chancen auf eine Schwangerschaft» preist Sanitas ihre Zusatzversicherung «Kinderwunsch» an, die einen Innovationspreis der Schweizer Assekuranz gewann. Klingt gut, ist es aber nicht: Keine Frau, der bereits bewusst ist, dass es ein Problem gibt, kann diese Versicherung abschliessen, denn die Wartefrist für Leistungen beträgt zwei Jahre, und das Höchstalter für einen Neuabschluss ist 35 Jahre. Zielgruppe sind also Frauen zwischen 18 und 35, die irgendwie Angst davor haben, dass es mit einem leiblichen Kind nicht klappen könnte.
Die Prämien steigen parallel zum Alter; bei einer Frau, die mit 26 eine Police abschliesst, kommen so, bis sie mit 43 wieder rausfliegt, rund 15 500 Franken zusammen. Für das Geld könnte sie die weiteren Versuche auch gleich selber zahlen. Nur schon diese Summe führt die Behauptung der Sanitas ad absurdum, ihre «Kinderwunsch»-Versicherung demokratisiere den Zugang zur teuren Reproduktionsmedizin, die sonst nur finanzstarken Frauen und Paaren vorbehalten bleibe.
Aber vorausgesetzt, man hat überhaupt so viel Geld zur freien Verfügung, lässt sich doch mit so einem Sümmchen auch sonst allerlei anfangen. Und über den Liebesüberschuss, den man glaubt, nur einem selbstgemachten Kind zukommen lassen zu können, freuen sich garantiert auch andere Menschen.
Obwohl Karin Hoffsten ihre vier leiblichen Nichten von Herzen liebt, hält sie Blutsverwandtschaft für überbewertet.