Reproduktionsmedizin: Der Begriff «Spende» führt in die Irre

Nr. 49 –

«Babys machen?» – ein passender Titel für eine Ausstellung, die in Bild und Ton nah bei den betroffenen Frauen ist und dazu auffordert, sich über das technisch Mögliche hinaus mit der Eizellspende auseinanderzusetzen.

Behandlungsraum in einer Reproduktions­klinik in Spanien
Es braucht einen enormen Aufwand, um eine eigentlich «natürliche» Angelegenheit auf den Weg zu bringen: Reproduktions­klinik in Spanien. Foto: Tamara Sánchez Pérez

Es ist noch kein Jahr her, dass der Nationalrat eine Motion auf den Weg brachte, die Eizellspende in der Schweiz zu legalisieren – allerdings nur für Ehepaare. Das Verbot, so Kommissionssprecher Thomas Brunner (GLP/SG), führe zu einer «unakzeptablen Ungleichbehandlung», und man wolle den «Exotenstatus» der Schweiz beenden. Der Ständerat folgte dem im September mit sehr knapper Mehrheit.

Auch die Regierungskoalition in Deutschland will das Fortpflanzungsrecht liberalisieren. Doch die liberalen Kräfte, die den medizinischen Markt öffnen wollen, verfolgen, anders als die Politik in der Schweiz, eine geschicktere Taktik. Statt sich offen in den Dienst der Reproduktionsmediziner:innen zu stellen, machen sie sich für den Gleichbehandlungsgrundsatz stark, indem sie die Forderungen von Lesben- und Schwulenverbänden und queerfeministischen Zusammenschlüssen aufnehmen. Diese skandalisieren schon lange den diskriminierenden Ausschluss ihrer Community von den Segnungen der Reproduktionsmedizin.

«Kind oder Geld zurück» verspricht eine spanische Klinik.

Das bringt Feministinnen in die Bredouille, die sich seit der Geburt des ersten Retortenbabys 1978 kritisch oder sogar ablehnend gegenüber fortpflanzungsmedizinischen Eingriffen positioniert haben. Was wiegt schwerer: das Recht nichtheterosexueller Personen, ihren Kinderwunsch zu realisieren, oder die Vorbehalte im Hinblick auf Kommerzialisierung, gesundheitliche Risiken für die Eizellspenderinnen oder die Probleme, die die dabei entstandenen Kinder später haben könnten? Nicht zu reden von den gesellschaftlichen Folgen, wenn sich das «Konsumrecht» auf ein Kind Bahn bricht.

In diese Gemengelage stösst die Ausstellung «Babys machen? Eizellenspende und Reproduktionspolitiken», die kürzlich im Kornhausforum in Bern eröffnet wurde. Sie nimmt insbesondere jene Gruppe in den Blick, die in der hiesigen öffentlichen Debatte keine oder wenig Lobby hat: die Eizellspenderinnen.

Öffentliche Debatte anstossen

Elf Monate lang hat die Berner Geografin Laura Perler in einer Reproduktionsklinik in Spanien geforscht, dem Mekka des europäischen Fortpflanzungsmarkts. Ihr Interesse galt insbesondere den Eizellgeberinnen; sie sprach aber auch mit den Klinikbeschäftigten und mit Frauen, die sich dort ihren Kinderwunsch erfüllen wollten. «Mit der Ausstellung», sagt sie, «möchte ich die öffentliche Debatte anstossen und zeigen, welche Strukturen hinter der Reproduktionsmedizin wirken.» Sie fühle sich ausserdem verpflichtet, ihre Forschungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Begleitet wurde Perler von der Fotografin Tamara Sánchez Pérez, die den Frauen mit ihrer Kamera sehr nahe gekommen ist. Ihre Bilder beeindrucken, fangen sie doch nicht nur die beteiligten Menschen ein, sondern auch die Atmosphäre in der Klinik, die von einer speziellen Trennung der Sphären geprägt ist. Frauen, die ihre Eizellen abgeben, so die Beobachtung der Fotografin, müssen sich beispielsweise in dunkleren, weniger gut ausgestatteten Wartebereichen aufhalten, während für die Empfängerinnen freundliche Räume bereitstehen. Das soll auch den Kontakt zwischen beiden Gruppen verhindern, denn in Spanien erfolgt die Eizellspende anonym.

Die Ausstellung fokussiert auf das aktive Tun, das in strukturierenden Tätigkeitsbegriffen eingefangen wird – Herstellen, Spenden, Entstehen, Empfangen. Frauen geben ihre Eizellen ab, Mediziner:innen konservieren diese und transferieren sie anschliessend in den Körper anderer Frauen, die hoffen, auf diese Weise zu einem Kind zu kommen. «Kind oder Geld-zurück-Garantie» verspricht eine spanische Fortpflanzungsklinik auf einem Plakat an der Fassade.

Aber was muss nicht alles getan werden, um ein solches Kind «herzustellen». Eizellspenderinnen müssen gefunden, befragt und ausgewählt werden, weil die nachfragenden Eltern selbstverständlich ein gesundes Kind mitnehmen wollen. Ärzt:innen entnehmen die herangereiften Eizellen. Das setzt eine wiederholte starke Hormonstimulation der Spenderinnen voraus. Das Personal nummeriert die Eizellen, friert sie in Stickstoff ein, überwacht sie in Brutkästen, fotografiert, taut auf und überträgt sie schliesslich in die Gebärmutter einer anderen Frau.

Der Hightechaufwand, um eine eigentlich «natürliche» Angelegenheit auf den Weg zu bringen, ist enorm. Am Ende steht das geheime Archiv, in dem die Daten von Spenderinnen und Empfängerinnen gesammelt werden. All dies wird auf Fotos dokumentiert, man hört Klinikgeräusche, und über allem tönt die Soundkulisse der (auf Deutsch untertitelten) Interviews. Statt langer Erklärtexte vermitteln Grafiken das notwendige Wissen.

Das «mLab» des Geografischen Instituts der Universität Bern, wo das Forschungsprojekt «Reproductive Geopolitics» angesiedelt ist, habe Pionierarbeit geleistet, so Kurator Mirko Winkel. Es sei eine der wenigen Institutionen im deutschsprachigen Raum, die Forschung und Kunst zusammenbrächten, um das, was schwer in Worte zu fassen sei, zu vermitteln.

Altruismus oder soziale Not?

Die Spenderinnen stehen nicht nur in der Ausstellung im Mittelpunkt; sie waren in Bern – und im vergangenen Sommer in Berlin, wo die Ausstellung in der Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung erstmals zu sehen war – auch auf den Vernissagen präsent, eine Seltenheit. Alba Cambeiro Cernadas erzählte, dass die Entscheidung, Eizellen zu spenden, einfach gewesen sei, weil eine Freundin sie dazu ermuntert habe. «Ich war damals in einer prekären Situation, ich habe studiert und gleichzeitig gearbeitet.» Auch für Élia Muñoz Rubiano spielten finanzielle Aspekte eine Rolle. «Ich brauchte Geld für eine Therapie, und es war eine leichte Art, an Geld zu kommen», berichtete sie in Berlin.

Die Frauen spenden, auch das wird deutlich, nicht nur aus Altruismus, und der Begriff «Spende» führt in die Irre. Taleo Stüwe vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin berichtete in Bern ausserdem von den gesundheitlichen Risiken, die die Eizellgeberinnen eingehen, und beklagte das Desinteresse an begleitender Forschung, denn die Datenlage ist schlecht.

Die Nöte, die Konflikte mit ihren Familien und die Erfahrungen der Eizellspenderinnen spiegeln sich in der Ausstellung in den von Schauspielerinnen nachgesprochenen Interviewausschnitten. So soll die Anonymität der Spenderinnen gewahrt werden. Der Reduzierung auf ihren «Bauch» – «Ich kam mir wie eine Eizelle mit Beinen drunter vor», erklärte Rubiano – wird etwas entgegengesetzt, indem sie ihre Stimme erheben.

Die Berner Schau ist erweitert worden um die Perspektive der mittels Eizellspende entstandenen Kinder. Eine Amerikanerin berichtet, wie sie durch einen Gentest ihre Mutter gefunden und mit dieser eine Beziehung aufgebaut hat. Der sozialen Familie hat sie dies verheimlicht, ihre Zwillingsschwester zeigte wenig Interesse. Die mittels Eizellspende entstandenen Kinder haben also sichtlich andere Bedürfnisse als die Eizellspenderinnen. Sie hätten nie über die Kinder nachgedacht, die durch ihre Spende entstanden seien, erklärten Rubiano und Cernadas übereinstimmend. Viel relevanter für sie sei die soziale Lage der Frauen, die sich zur Eizellspende gezwungen sähen.

Die Ausstellung schliesst mit dem Videotagebuch von Sabina Rhyner, die vor fünf Jahren ein aus einer fremden Eizelle entstandenes Mädchen geboren und ihre reproduktive Reise nach Spanien und zurück über ein Jahr lang dokumentiert hat. Sie habe damals kaum Informationen über das Thema gehabt, erklärte die Glarnerin, und hätte die Prozedur lieber in der Schweiz absolviert. Dennoch würde sie es wieder so machen.

Es steckt noch viel Aufklärungs- und Gesprächsbedarf in diesem Thema, bis die Schweizer:innen an die Urnen gehen. Die Ausstellung im Kornhausforum bietet dazu beste Gelegenheit.

«Babys machen? Eizellenspende und Reproduktionspolitiken», Kornhausforum Bern, bis Samstag, 14. Januar 2023.

Buchcover von «Selektioniertes Leben. Eine feministische Perspektive auf die Eizellenspende»

Laura Perler: «Selektioniertes Leben. Eine feministische Perspektive auf die Eizellenspende». Edition assemblage. Münster 2022. 284 Seiten. 29 Franken.