ÖVP-Korruptionsvorwürfe: Scheidungsgerüchte in Österreich

Nr. 20 –

Weil gegen führende Politiker der konservativen ÖVP ermittelt wird, geraten Österreichs Grüne unter Druck. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz vor, im Sommer 2020 im Ibiza-Untersuchungsausschuss eine Falschaussage getätigt zu haben. Zeitgleich ermittelt die WKStA auch gegen den Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

Seit Januar 2020 bilden ÖVP und Grüne eine Regierung, die nach dem Bruch der FPÖ-ÖVP-Koalition entstand. Von Anbeginn gab es konträre Ansichten bei Türkis-Grün; vor allem in der Asyl- und Flüchtlingspolitik war man sich nie einig. Die Grünen befanden sich in einer Zwickmühle zwischen den Ansprüchen ihrer WählerInnen und der Regierungsräson, entschieden sich bisher aber gegen einen Koalitionsbruch. Jetzt ist wieder von vorgezogenen Neuwahlen die Rede. Das Demokratieverständnis der ÖVP müsse «neu geschärft» werden, kritisierte die Grünen-Politikerin Sigrid Maurer nun. Zwar äusserten sich die Grünen in den vergangenen Tagen erstaunlich kritisch gegenüber ihrem Koalitionspartner, doch haben sie sich offengehalten, wie sie sich verhalten werden, wenn Kurz angeklagt wird.

Das Abwarten schade den Grünen aber durchaus, sagte die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle der Tageszeitung «Der Standard». Denn diese warben im Wahlkampf mit dem Slogan «Saubere Umwelt. Saubere Politik» und stilisierten sich als Partei, die Korruption bekämpfe. Wenn sie weiterhin die ÖVP unterstütze, der Postenschacher vorgeworfen werde und deren Vorsitzendem nun eine Anklage drohe, liefen die Grünen Gefahr, Glaubwürdigkeit zu verlieren, so Stainer-Hämmerle.

Kurz selbst hat zwar bereits angekündigt, im Fall einer Anklage nicht zurückzutreten. Der Kanzler sei aber angeschlagen, sagte Florian Klenk, Chefredaktor der Wochenzeitung «Falter» in einem Interview. «Es ist das erste Mal, dass er wirklich taumelt.» Einen «neuen Stil» hatte Kurz einst versprochen – jetzt droht er im Korruptionssumpf zu versinken.