Geht so die perfekte Postrock-Komposition? Eine langsame, cleane Gitarren-Tonfolge wird wiederholt und wiederholt und wiederholt, bis nach einer scheinbaren Unendlichkeit eine verzerrte, gedämpft angeschlagene Gitarre hinzukommt. Wieder eine Weile später setzen Schlagzeug und Bass ein, derweil sich Gitarre und Synthesizer zu duellieren scheinen. So steigert sich «Job’s Lament» in einen Rausch, Schicht für Schicht für Schicht, bis eine Brücke überleitet zum nächsten Part des dreigeteilten Stückes («First of the Last Glaciers»), der nun von einer Geigenmelodie getragen wird – ehe alles wieder langsam heruntergefahren wird.

Will man wissen, welche Atmosphären das eigenwillige kanadische Bandkollektiv Godspeed You! Black Emperor (GY!BE) mit Instrumentalmusik zu kreieren weiss, so illustriert diese Passage ihres neuen Werks das wohl am besten. Das inzwischen siebte volle Album der Band aus Montreal trägt den erratischen Namen «G_d’s Pee at State’s End!», frei übersetzt bedeutet dieses Wortspiel mit dem eigenen Bandnamen so viel wie «Gottes Pisse am Ende des Staats».

GY!BE gehörten mit ihrer Gründung 1994 zur ersten Generation des Postrock – 27 Jahre später sind sie in Hochform. Denn auch das tief melancholisch mäandernde «Fire at Static Valley» und das epische «Government Came» wissen zu beeindrucken. Inhaltlich gibt das Album ebenfalls einiges zu kauen, denn die Frequenzen in den Songtiteln («4521.0kHz 6730.0kHz») und das Verwenden von Radioaufnahmen haben einen politischen Hintergrund: Im Begleittext erfährt man, wie viel Bandbreite heute durch das automatisierte Steuern von Militärgeräten belegt ist, wie Amateurfunker ihre Gewaltfantasien gegenüber der Antifa äussern und wie die irren «apocalypse pastors» ihre Predigten über den Äther schicken. GY!BE predigen weiterhin einen radikalen Anarchismus («all current forms of governance are failed»), den man nicht in allen Punkten teilen muss. Fest steht: In Haltung und Sound ist die Band sich treu geblieben.

Godspeed You! Black Emperor: G_d’s Pee at State’s End!. Constellation/Secretly