LeserInnenbriefe
Überhöhung des Individualismus
«Impfung: Ungleichheit als Barriere» , «Wichtig zu wissen: Der Einschaltgarant» , «Kinder und Corona: Kein Grund zur Panik» , alle WOZ Nr. 32/2021
Die aufschlussreichste Statistik der Pandemie geht aus der Sotomo-Impfumfrage hervor: 51 Prozent der SVP-AnhängerInnen sagen Nein zur Covid-Impfung, gegenüber 7 bis 15 Prozent bei den anderen Parteien. Die Autorin des Artikels «Ungleichheit als Barriere» schafft es, eine halbe Seite über die Gründe der Impfverweigerung zu schreiben, ohne diese Zahl zu erwähnen. Natürlich spielen soziale Umstände eine Rolle. Aber wie haben eigentlich die Menschen vor mehr als fünfzig Jahren die Durchimpfung gegen Kinderlähmung geschafft, obwohl sie damals ärmer und weniger urban waren? Was ist heute anders? Dass eine internationale rechtsextreme Bewegung die Krankheit nutzt, um die Gesellschaft zu spalten.
Die lautstarke Minderheit der Impfgegner erinnert mitunter an einen faschistischen Todeskult, wenn man etwa an Michael Bubendorfs Aussage denkt, seine «Freiheit» sei ihm wichtiger als Millionen Menschenleben. Aber darin äussert sich auch die vom Neoliberalismus jahrzehntelang vorangetriebene Überhöhung des Individualismus, der vor Klimakrise und Pandemie versagen muss.
Wer angesichts einer globalen Epidemie eine sichere, wirksame und kostenlose Impfung verweigert, handelt asozial. Wie in anderen Politikbereichen ist es völlig legitim, verantwortliches Handeln durch sozialen Druck, durch positive wie negative Anreize und auch durch Ge- und Verbote zu fördern. Viele Staaten führen Nachteile für Ungeimpfte und Impfobligatorien ein, und die grosse Mehrheit der Bevölkerung unterstützt das (Danke, Ruedi Widmer!). Denn es gibt kein Recht auf Verantwortungslosigkeit, auch wenn Parteien wie SVP, AfD oder US-Republikaner das behaupten.
Gerade von der Linken erwarte ich, dass sie den neoliberalen Diskurs, der die Impfung als individuelle Konsumentscheidung verhandelt, zurückweist und die Solidarität als gesellschaftliche Pflicht verteidigt. In der Umfrage von Sotomo geben die Schweizer Impfgegner zu Protokoll, dass ihnen am Schutz der Allgemeinheit und an der Entlastung des Gesundheitssystems wenig gelegen ist. Die Befindlichkeit dieser Minderheit darf nicht länger dem Gemeinwohl übergeordnet werden.
Das gilt auch für die Gewerkschaften. Besonders im Gesundheitsbereich sollte die Impfung zum Schutz von PatientInnen und Pflegebefohlenen, aber auch zum Schutz der KollegInnen eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn Gewerkschaften sich gegen die Impfpflicht und für ein «Recht», andere zu gefährden, aussprechen, verraten sie das Gebot der Solidarität und lassen die Mehrheit ihrer Mitglieder im Stich.
Toni Menninger, Bern
Zum Glück unausgewogen
Diverse Artikel zum Coronavirus
Ich finde die Coronathematik äusserst schwierig. Das zeigt sich schon an der einfachsten Frage, wer denn nun die profitgierige Pharmaindustrie mehr unterstütze, die Coronagläubigen oder die Coronaungläubigen respektive Coronaskeptiker. Bis jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass das Virus den Coronaskeptikern vor allem für das langfristige Überleben zu Dank verpflichtet sein wird. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Es könnten durchaus auch die Reichen sein, die vor allem nur an sich selbst denken. Jedenfalls lese ich mit Interesse die Artikel dazu in der WOZ, die zum Glück nie den Anspruch erheben, ausgewogen zu sein.
Niklaus Baltzer, Bern
Keine Beschimpfungen bitte
«Pandemie: Die Impfung ist ein Privileg», WOZ Nr. 27/2021
Der Artikel hat mich sehr geärgert. Seit wann ist die WOZ eine Plattform, in welcher JournalistInnen ihre eigene Meinung so plakativ vertreten dürfen? Die WOZ wirbt mit «Leisten Sie sich eine eigene Meinung» – eine solche kann ich mir aber nur bilden, wenn ich gut und professionell recherchierte Artikel zu lesen kriege, die sowohl Pro als auch Kontra zu Wort kommen lassen. Die Aussage «Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet mit seinem Entscheid die Gesundheit aller» ist derart polemisch, dass ich es nur peinlich finden kann. Und dass das Gesundheitspersonal erschöpft ist, haben wir nicht zuletzt dem konstanten Abbau von Spitälern, den Fallpauschalen und Ähnlichem zu verdanken, da ist nicht nur Corona schuld.
Auch die Beschimpfungen mit «ideologisch verblendet» und «Impffaule» stiess mir sehr sauer auf. Ich bitte die WOZ, wieder vermehrt auf sorgfältige Recherche und nicht persönliche Meinungsveröffentlichung zu setzen und auf anständige Sprache zu achten. Das andere haben wir schon in anderen Medien mehr als genug.
Cathrin Kaufmann, Zürich
Kriegsmaterialexporte
«Whistleblowing: Gestohlene Dokumente, gestohlene Leben», WOZ Nr. 31/2021
Daniel Hale muss 45 Monate ins Gefängnis, weil er Informationen zu den Verbrechen der US-Drohnenkriege publik gemacht hat. Bei den aussergerichtlichen Hinrichtungen sterben hauptsächlich Zivilisten. Tausende, was längst bekannt ist. Trotzdem exportiert die Schweiz laufend Kriegsmaterial in die USA, und Banken finanzieren US-Rüstungskonzerne, alles mit dem Segen des Bundesrats. Die Ermordung von Menschen durch Drohnen ist genauso verabscheuungswürdig wie der Mord von Kashoggi durch die Saudis. Deshalb: Stopp den Kriegsmaterialexporten nach den USA, keine Finanzierung mehr von US-Rüstungskonzernen und kein Kauf von US-Kampfjets und von US-Kriegsmaterial.
Heinrich Frei, Zürich