Ueli Maurer: Gegen die eigene Wählerschaft
Es ist mühsam, dass sich ein Land mit den Provokationen eines 70-Jährigen herumschlagen muss. Doch da dieser nun mal Bundesrat ist, kommt man kaum darum herum. Kurz: Ueli Maurer, SVP-Finanzminister, liess sich am Wochenende in einem T-Shirt der «Freiheitstrychler» ablichten, die gegen Coronamassnahmen des Bundesrates schimpfen, dem Maurer angehört.
Damit hat es Maurer besser als Jair Bolsonaro, der angesichts der halben Million Toten, die seine grobfahrlässige Politik in Brasilien zur Folge hatte, längst die Mehrheit im Land verloren hat. Maurer kann aufwiegeln, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Ein fast schon pubertäres Verhalten. Und das von einem Mann, der jährlich fast eine halbe Million Franken Steuergelder erhält, damit er das Land regiert.
In einer Zeit, in der die SVP nur noch wenig Interesse weckt und laut Umfragen weiter an Unterstützung verliert, will Maurer offensichtlich seiner Partei helfen, WählerInnen zu mobilisieren: GewerblerInnen und Angestellte mit tieferem Einkommen, die die Coronapandemie getroffen hat – und die gemäss Studien den grösseren Teil der SVP-Wählerschaft ausmachen.
Gleichzeitig lenkt Maurer davon ab, dass er als Finanzminister gegen genau diese Menschen Politik macht. Das jedoch lieber im stillen Kämmerlein. So lehnte er es ab, in der «Arena» des Schweizer Fernsehens gegen die 99-Prozent-Initiative aufzutreten, die Geld von den Reichsten nach unten umverteilen will. Er weiss, dass ein Grossteil der SVP-WählerInnen von der Initiative profitieren würde.
Vielmehr versucht Maurer, in der Pandemie die Steuern für Konzerne zu senken; etwa mit der Abschaffung der Stempelabgabe, die er im Juni durchs Parlament brachte, womit Firmen für die Ausgabe von Aktien keine Steuer mehr zahlen müssten. Grüne und SP sammeln Unterschriften für ein Referendum. Über Monate bremste Maurer zudem fast sämtliche wirtschaftlichen Pandemiehilfen für Kleinunternehmen und Angestellte. Und: Wie die «NZZ am Sonntag» kürzlich aus verwaltungsinternen Dokumenten zitierte, will Maurer Hilfen wie Härtefallgelder auf Ende Jahr streichen.