Kino-Film «Réveil sur Mars»: Eine Rakete gegen die Resignation

Nr. 38 –

Schlaff liegen die Schwestern Ibadeta und Djeneta im Bett, sie werden künstlich ernährt, ab und zu in den Rollstuhl gehoben. Eines Tages würden die Teenagerinnen wieder erwachen, so versichert die Ärztin den Eltern bei ihrem Besuch in der engen Wohnung in der Peripherie, irgendwo in Schweden. Doch wann, das ist in dem Moment genauso unklar wie die Frage, ob sie überhaupt hierbleiben dürfen – oder ob ihr Asylgesuch abermals abgewiesen wird.

«Uppgivenhetssyndrom» heisst die rätselhafte Krankheit, die die Schwestern befallen hat, auch Resignationssyndrom oder Apathie genannt. In Schweden ist das seit einigen Jahren eine anerkannte Diagnose. Was es für einen Familienkosmos heisst, wenn Kinder davon betroffen sind, zeigt die schweizerisch-albanische Regisseurin Dea Gjinovci auf poetische Weise in ihrem Langfilmdebüt «Réveil sur Mars». Sie dokumentiert den Alltag der Familie Demiri, die zum zweiten Mal aus dem Kosovo nach Schweden geflohen ist, in der Hoffnung auf ein Leben ohne Gewalt.

Auf dem Fenstersims steht eine aus Papier geklebte Rakete. Furkan, Familienjüngster und Hauptprotagonist des Films, bastelt mit kindlichem Pragmatismus an einem Ausweg aus all dieser Schwere: «Ich will zum Mars und Pluto, aber Pluto geht nicht, ich würde unterwegs sterben», sinniert er draussen auf dem Schrottplatz. Dann eben nur auf den Mars, wozu er hier ein Gefährt in Echtgrösse baut.

Einzelne traumartige Szenen in «Réveil sur Mars» entziehen sich dem Dokumentarischen. Die reale Absurdität eines Alltags, der bis aufs liebevolle Umsorgen innerhalb der Familie auf fast allen Ebenen in der Schwebe ist, wird dadurch umso eindringlicher vermittelt. Fraglich scheint eher, ob es der angemessene Weg ist, Geschichten wie diese zu erzählen, indem man etwa die Mädchen in ihrem ohnmächtigen Zustand vorführt – oder ob es nicht sogar noch spielfilmischer hätte sein dürfen.

Dank der durchaus vertrauensvollen Begleitung dieser einen Familie wird jedenfalls deutlich: Das Politische ist psychologisch.

Réveil sur Mars. Regie: Dea Gjinovci. Schweiz/Frankreich 2020