Heiner Busch (1957–2021): Gründlich genörgelt, beharrlich gekämpft

Nr. 39 –

Der Politikwissenschaftler und WOZ-Autor Heiner Busch prägte die internationale Kritik an Kontrolle, Überwachung und Ausgrenzung. Seinen Schalk verlor er dabei nie.

Im Saarland geboren, landete er nach Jahren in Berlin und Kolumbien schliesslich in der Schweiz: Heiner Busch auf einer Reise ins Baskenland 1998. Foto: Privatarchiv

Eines war klar: Heiner war verlässlich da, wenn es um die Sache der Geflüchteten und die Grundrechte ging. Zum Beispiel beim Prozess gegen die Fluchthelferin Anni Lanz in Brig im Sommer 2019, als er am Bahnhof die Unterstützer:innen mit einem Transparent erwartete. Auch wenn die Verurteilung einer Hilfeleistung durch das Gericht die Anwesenden empörte, mussten wir über die Moralpredigt des katholischen Richters lachen. Heiner war auch am G20-Gipfel in Hamburg präsent, diesem Exzess der Polizeigewalt. Dort beriet er in einem Protestcamp, das von Sicherheitskräften geräumt werden sollte, die Demonstrant:innen bezüglich ihrer Rechte. Und Heiner war fast immer anwesend, wenn man die Bürogemeinschaft an der Schwanengasse in Bern betrat, wo auch die WOZ eine Dependance hat. Hier tippte er seine Analysen, exakt, mit zwei oder drei Fingern, schnitt Artikel aus der Zeitung aus, ordnete sie ins fein verästelte Archiv ein. Hier kochte er für alle, pflegte die Pflanzen, dazwischen rauchte er. Und er hörte zu, neugierig und geduldig zugleich.

Da war also einer, der Migrationsbehörden, Polizei und Geheimdienste analysierte und die durch sie ausgeübte Ausgrenzung, Überwachung und Gewalt kritisierte. Der ihre Entwicklung mit Beharrlichkeit über Jahrzehnte verfolgte: nie dogmatisch, aber prinzipienfest. Und der dabei nie den Humor verlor, sondern sich seinen eigenen Schalk bewahrte. Gerade weil er sich mit zermürbenden Themen beschäftigte, wusste er: Am Ende macht sich die Staatsgewalt, wie damals in Brig, noch immer selbst lächerlich. Was Heiner aber vor allem auszeichnete, war seine grosse Hilfsbereitschaft. Er teilte sein Wissen, was viele geschätzt haben, die als Jüngere auf die WOZ-Redaktion kamen. Nie hat er uns belehrt oder nostalgische Geschichten ausgebreitet, aber stets nützliche Tipps gegeben. So konnte er einem die Funktionsweise von Frontex erklären, als die europäische Grenzabwehrtruppe noch fast niemandem ein Begriff war.

Dank Fichenskandal in Bern

Was war Heiner eigentlich von Beruf: Politikwissenschaftler, Journalist, Aktivist? Auf der Website von Solidarité sans frontières, der Dachorganisation der Asylbewegung, für die Heiner auch arbeitete, findet sich in einem Kurzporträt ein treffender Satz. Man kann sich gut vorstellen, wie er ihn in seinem nuschelnden Saarländer Dialekt sagte: «Ich habe eigentlich nicht viel gelernt ausser an der Polizei herumzunörgeln. Das aber gründlich.»

Heiner Busch, 1957 geboren, wuchs als Einzelkind in Spiesen-Elversberg im Saarland auf. Der Vater verbrachte sein Leben in Kohlegruben, war in der Gewerkschaft aktiv, die Mutter arbeitete im Haushalt. Heiner war also bereits politisch sozialisiert, als er mit achtzehn ins damalige Westberlin zog, um wie so viele seiner Generation der Wehrpflicht zu entkommen. Er studierte Politikwissenschaften und promovierte bei Wolf-Dieter Narr zur Frage «Grenzenlose Polizei?» über die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa. Gemeinsam mit Studienkolleg:innen gründete er 1978 den Informationsdienst «Bürgerrechte und Polizei», an dessen Zeitschrift «Cilip» er bis zuletzt massgeblich mitwirkte. Er wurde daneben in Solidaritätsgruppen für Lateinamerika aktiv, lebte auch für einige Zeit in Kolumbien.

Dass Heiner schliesslich in der Schweiz landete, war eine Folge des Fichenskandals, mit dem der Überwachungsstaat im Kalten Krieg aufflog. Das Komitee «Schluss mit dem Schnüffelstaat» lud ihn zu einer Veranstaltung nach Bern ein. Dort lernte er Catherine Weber kennen, die das Sekretariat des Komitees führte. An einem Kongress der Bürgerrechtsbewegung Statewatch in London trafen sich beide wieder, erinnert sie sich im Gespräch. Sie waren der Unterkunft der Raucher:innen zugeteilt, fanden diese in der Nacht aber nicht. Nachdem sie zwei Stunden umhergeirrt waren, ohne sich auch nur einmal zu streiten, kamen sie als Paar zusammen. Es war ein fast schon symbolischer Anfang für eine Beziehung, in der die Liebe, die Arbeit und das politische Engagement ineinander übergingen. Überhaupt war Politik nicht alles in Heiners Leben: Er begeisterte sich auch für Literatur, Film und Musik, besonders für die Bücher von Christoph Hein.

Über die Grenzen hinaus

Nach einer Zeit des Pendelns fasste Heiner in der Schweiz Fuss. 1995 erschien sein erster Artikel in der WOZ zur organisierten Kriminalität, mit einem für ihn typisch skeptischen Titel: «Vom Nutzen eines unklaren Begriffs». Seither blieb Heiner ein wichtiger Mitarbeiter der Zeitung, wobei ihn in seinen Beiträgen die Abschottung Europas durch die Verträge von Schengen und Dublin besonders beschäftigte. Für Solidarité sans frontières engagierte er sich gegen zahlreiche Verschärfungen der Asyl- und Ausländer:innengesetzgebung und verfasste das gut informierende Bulletin; sein letzter Beitrag behandelte eine Kampagne zur Abschaffung von Frontex. Nachdem bei ihm vor einem Jahr ein Hirntumor diagnostiziert worden war, konnte er zu seinem Bedauern immer weniger schreiben.

Heiner, der in der vergangenen Woche verstorben ist, hinterlässt in der Schweizer Linken eine grosse Lücke. Er dachte die verschiedenen Bereiche, in denen sich das Gewaltmonopol des Staats offenbart, konsequent zusammen. Er verfügte zudem über ein dichtes Kontaktnetz, reiste für die Arbeit an «Cilip» regelmässig nach Berlin. So kannte er die internationalen Diskussionen und konnte die Entwicklungen in der Schweiz vergleichend einordnen. Sein profundes Wissen wird in der Asylbewegung fehlen, ebenso in den Auseinandersetzungen um den Ausbau des Geheimdienstes. Viele, die ihn gekannt und seine Arbeit verfolgt haben, werden sich zur Orientierung bestimmt öfters fragen: Was würde Heiner sagen?