bell hooks (1952–2021): Für romantische Freundschaften

Nr. 51 –

Lange bevor von Intersektionalität die Rede war, stellte die feministische Literaturwissenschaftlerin bell hooks die Erfahrungen mehrfach diskriminierter Frauen ins Zentrum ihrer radikalen Gesellschaftskritik.

«Jeden Tag bin ich dankbar dafür, dass ich eine Liebe kennen gelernt habe, die es mir ermöglicht, den Tod ohne Angst vor Unvollständigkeit oder Mangel und ohne das Gefühl des unersetzlichen Bedauerns anzunehmen», schrieb bell hooks in ihrem Buch «All About Love. New Visions». Es könnte nie genug von ihrem Denken geben, gleichzeitig hinterlässt bell hooks nun ein bewundernswertes theoretisches und literarisches Werk, zu dem auch ein komplexes Verständnis von Liebe gehört. Auf allen Kanälen ist derzeit zu vernehmen, wie ihr kritischer Geist im Leben unzähliger Menschen nachhallt.

Es gibt viele Arten, wie bell hooks beschrieben wird – als Kulturkritikerin, Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin, Dichterin, Professorin, Aktivistin. In erster Linie war sie eine bahnbrechende Feministin und Lehrerin, die bereit war, unnachgiebig ihre Überzeugungen auszusprechen. Mit «Ain’t I a Woman? Black Women and Feminism», ihrem ersten Buch, das sie bereits mit neunzehn Jahren zu schreiben begann, mit «Feminist Theory. From Margin to Center» oder «All About Love», das dieses Jahr auf Deutsch erschien, prägte sie den feministischen Diskurs. Als Gloria Jean Watkins 1952 in Kentucky geboren, gab sie sich den Namen bell hooks: eine Hommage an ihre Urgrossmutter mütterlicherseits und an all die Frauen, die so scharfzüngig und unverblümt waren wie diese. Ebenso lässt sich die Kleinschreibung als eine Möglichkeit verstehen, den Individualismus zu entkräften – als ein Akt der Verbundenheit mit jenen, die wie bell hooks an einer vielschichtigen Revolution arbeiten.

Race, Geschlecht, Klasse

Ihr theoretisches Schreiben erschien ihr immer dann am wirkungsvollsten, wenn sie im alltäglichen Leben Sinn stiften konnte. In ihren Texten verwob sie Gesellschaftsanalyse und Kulturkritik oft mit autobiografischen Erzählungen, denn sie wollte, dass ihre Theorie zugänglich ist – «to work with the work», Theorie sollte da sein, um mit ihr zu arbeiten. Lange bevor der Begriff «Intersektionalität» kursierte, trug bell hooks entscheidend dazu bei, die ineinandergreifenden Systeme der Unterdrückung von Race, Geschlecht, Klasse, Sexualität, Patriarchat, Kapitalismus und weisser Vorherrschaft aufzuzeigen.

So hat sie die Fokussierung der frühen feministischen Bewegung auf weisse Frauen aus der Mittelschicht stark kritisiert. In «Feminist Theory» problematisierte sie feministische Kämpfe, die nur spezifische Interessen begünstigen, und schrieb über die Notwendigkeit, die Erfahrungen mehrfach diskriminierter Frauen nicht nur anzuerkennen, sondern sie in den Mittelpunkt einer radikalen Umgestaltung der Gesellschaft zu stellen. Damit trug sie wesentlich dazu bei, Licht auf die Perspektiven Schwarzer Frauen, Frauen of Color und Frauen aus der Arbeiterklasse zu werfen.

Mit «Where We Stand. Class Matters» (2000) begann bell hooks den Klassenbegriff in einer Zeit starkzumachen, als dieser nicht sonderlich en vogue war, Diversity und Gendermainstreaming jedoch Hochkonjunktur hatten. Als soziale Aufsteigerin musste sie selbst den Widerspruch verhandeln, nicht mehr zu ihrem Herkunftsmilieu zu gehören und ihm doch treu bleiben zu wollen. Es fiel ihr schwer, Klassenunterschiede anzuerkennen, denn dies destabilisiere die Gewissheit, dass Rassismus alle in gleicher Art und Weise treffe. Weisse Solidarität habe den Blick zu lange getrübt; historisch sei sie immer dafür genutzt worden, die weissen Armen glauben zu machen, ihre Interessen seien eins mit jenen der weissen Privilegierten. «Ähnlich hat man den Schwarzen Armen immer gesagt, dass Klasse niemals von so grosser Bedeutung sein könne wie Race», schreibt bell hooks in «Where We Stand». In Zeiten schwindender Ressourcen und steigender Lebenskosten prophezeite sie für die USA vermehrte Aufstände oder gar Kriege, wenn es keine kollektive Auseinandersetzung mit Klassismus gäbe. Ohne eine solche könne es auch kein Ende des Rassismus geben.

Geistiges Waschtum

Immer wieder schrieb bell hooks in ihren Büchern über Liebe und prägte auch den Begriff der romantischen Freundschaft. Damit meinte sie eine nicht sexuelle, aber erotisch aufgeladene und intime Form der Freundschaft, die ein Leben lang halten könne. Solche Freundschaften könnten eine Bedrohung für das Patriarchat sein, weil sie die Annahme unterlaufen, dass bedeutungsvolle Beziehungen Sexualität und Heirat beinhalten müssten. Sie sprach sich dafür aus, Liebe nicht als einen vagen Affekt zu verstehen. Stattdessen solle man versuchen, sie zu definieren, um sie deutlich von Gewalt zu trennen: «Wenn wir Liebe als den Willen verstehen, unser eigenes geistiges Wachstum und das eines anderen zu fördern, wird klar, dass wir nicht behaupten können, zu lieben, wenn wir verletzend und missbräuchlich sind.» Sie glaubte vehement daran, dass der Akt der Liebe uns immer von der Herrschaft wegführe, als ein bejahendes Handeln, das mit Entscheidungsmacht einhergeht.

Letzte Woche ist bell hooks in Berea, Kentucky, im Alter von 69 Jahren verstorben.