Sidney Poitier (1927–2022): Respekt!

Nr. 2 –

Er betrat die Bühne Hollywoods im weissen Arztkittel und musste sich trotzdem ins Gesicht spucken, sich verprügeln und sich das ganze Arsenal verbaler rassistischer Beleidigungen um die Ohren hauen lassen. Das war 1950, in Joseph Mankiewicz’ «No Way Out». Bis er «In the Heat of the Night» als Schwarzer Cop zum ersten Mal zuschlagen durfte, vergingen siebzehn Jahre. Dabei war 1967 die Bürgerrechtsbewegung längst vom Ruf nach «Black Power» abgelöst worden. Und ein Schwarzer, der einen Polizisten spielte, galt – wie es der Schwarze Autor Clifford Mason in der «New York Times» formulierte – als blutleerer und eindimensionaler Held, der als «good nigger» die Probleme der Weissen löst.

Sidney Poitier, erster Schwarzer Hollywoodstar und Oscar-Preisträger (Bester Hauptdarsteller in «Lilies of the Field», 1964), traf diese Kritik zutiefst. Nicht nur, weil er sich aktiv für die Bürgerrechtsbewegung engagierte, sondern vor allem, weil er sich stets geweigert hatte, über seine Hautfarbe definiert zu werden. Und zwar vom Moment an, als er – Poitier war 1927 in Florida geboren und auf den Bahamas aufgewachsen – als Jugendlicher einen Fuss in die segregierten USA setzte: Hinten im Bus sitzen? Sicher nicht. In einer illustren TV-Herrenrunde nach Martin Luther Kings Marsch auf Washington im August 1963 sprach er von seinem Kampf für die Bewegung als einer Frage des Überlebens. Er verwahrte sich auch dagegen, über das «negro problem» zu diskutieren – als Schwarzer sei er nicht Teil des Problems.

Und doch traf Masons Kritik eben auch zu. Poitiers Filmfiguren waren stets sorgfältig darauf bedacht, ein weisses Publikum nicht zu brüskieren – also von höchster Moral und bloss, bitte, ohne ein Fünkchen erotischer Ausstrahlung. Als die subversiven Blaxploitation-Held:innen Sweetback, Shaft und Jackie Brown die Bühne betraten, zog sich Poitier, zumindest vorübergehend, hinter die Kamera zurück. Auch hier wurde er zum Pionier und drehte mit «Buck and the Preacher» 1972 den ersten Western mit einem überwiegend Schwarzen Cast.

Fast aus der Rolle fällt Sidney Poitier, der am 6. Januar 2022 gestorben ist, nur einmal, an einer Pressekonferenz im Sommer 1968, als er sich erneut auf seine Hautfarbe reduziert fühlt. «Ich bin ein relativ intelligenter Mensch», setzt er an, mit einer Stimme, so beherrscht, dass man die Wut dahinter förmlich greifen kann. «Ich wünschte, ihr würdet mir den fälligen Respekt entgegenbringen.»