«Stand Up My Beauty»: Die Last der Frauen
Die Sängerin Nardos Wude Tesfaw ist in ihrem Heimatland Äthiopien ein gefeierter Star. Nachdem sie bislang meist traditionelle Lieder gesungen oder aus dem Stegreif improvisiert hat, will sie nun erstmals einen eigenen, ausgeschriebenen Song entwickeln, der von der Situation der Frauen in dem ostafrikanischen Land erzählen soll. Sie will den Frauen damit Mut machen, für ihre Rechte einzustehen. Um diese steht es, wie in so vielen Ländern des Kontinents, sehr schlecht. Die Schwiegermutter der Sängerin etwa war neun Jahre alt, als sie zwangsverheiratet wurde. Eine andere Frau berichtet ihr, dass sie nicht einmal wusste, was da passierte, als sie nach der Zwangsheirat mit fünfzehn schwanger wurde. Nardos selber entging einem ähnlichen Schicksal nur deshalb, weil ihre verwitwete Mutter sie als Siebenjährige in die Obhut einer Tante in der Hauptstadt Addis Abeba gab – um ihr ebendieses Los zu ersparen.
«Stand Up My Beauty» heisst der insgesamt vierte in Afrika gedrehte Dokumentarfilm von Heidi Specogna («Cahier africain»). Die Regisseurin zeichnet darin den Lebensweg von Nardos Wude Tesfaw nach und zeigt sie bei den Recherchen für ihren Songtext. Specogna hat die Sängerin über einen Zeitraum von mehreren Jahren begleitet; man erlebt die extremen Spannungen, die in dem von 120 Ethnien bewohnten Land herrschen, ebenso wie die grossen Veränderungen im Lebensweg der kraftvollen Protagonistin. Um zu überleben, musste diese sich in der boomenden Hauptstadt einst als Lastenträgerin auf Baustellen verdingen – so wie das auch heute unzählige Frauen tun müssen.
«Die Natur weiss», so singt sie am Ende, «dass wir Frauen Respekt verdienen.» Das ist nicht selbstverständlich in einem Land, wo Frauen bisweilen ein Dasein als Lasttiere fristen, wie eine schockierende Szene zeigt. Davon erzählt «Stand Up My Beauty» im Rhythmus mitreissender Musik.
In: Solothurn Konzertsaal, Sa, 22. Januar 2022, 12 Uhr, und Reithalle, Di, 25. Januar 2022, 18 Uhr. Ab 17. Februar 2022 im Kino.
Stand Up My Beauty. Regie: Heidi Specogna. Schweiz/Deutschland 2021