100 Wörter: Mitleid statt Widerstand
Die Pandemie hatte Zirzenstock zu einem optimistischen Menschenfreund gemacht, obwohl das so gar nicht seinem Naturell entsprach. Doch hatte er gelernt, dass es am besten war, sich als naiver, zuversichtlicher und grundsätzlich an das Gute im Menschen glaubender Zeitgenosse auszugeben, um Diskussionen mit ganz genau wissenden und zutiefst überzeugten Menschen zu führen, die ihn von felsenfesten Theorien zu überzeugen suchten. Während diese auf jede Andeutung von Fakten und Wissen mit verdoppelter Verneinung und Widerlegung reagierten, fanden sie am gutgläubigen Optimismus wenig Widerstand, an dem sie sich abarbeiten konnten, gaben schneller Ruhe, und er zog statt Ablehnung bloss Mitleid auf sich.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. 2019 ist sein letzter Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.