Neues aus der Wissenschaft: Wo die Thorshühnchen brüten

Nr. 6 –

Jüngst wurde die Evolutionstheorie in dieser Rubrik ja engagiert verteidigt – aber natürlich muss auch sie immer wieder kritisch geprüft und auf den neusten Stand der Erkenntnis gebracht werden. Zum Beispiel mit einer Überprüfung der Spermienspeicherhypothese.

Das führte ein verwegenes Ornitholog:innenteam der Max-Planck-Gesellschaft drei Sommer lang in die Tundra nach Alaska, wo die Thorshühnchen brüten. Eine ganz besondere Vogelart, pflegt sie doch die Polyandrie (Vielmännerei), was ganz nebenbei auch die (humanen) Stereotype über Geschlechtsmerkmale und Rollenverteilung subvertiert. Jedenfalls brüten die Männchen das eine oder andere Kuckucksküken aus, was laut Hypothese darauf zurückgeht, dass die Weibchen Spermien von früheren Partnern bis zu einem Monat speichern können.

Um das zu beweisen, gingen die deutschen Ornitholog:innen einigermassen skrupellos vor, stahlen sie den Männchen doch die Eier unter dem Vogelfüdli weg, um sie im Labor reifen zu lassen und einen Vaterschaftstest zu machen. Stattdessen schmuggelten sie Plastikeier ins Nest und tauschten diese Wochen später gegen die geschlüpften Küken aus.

Ihre Vorurteile (und auch die Hypothese) mussten sie in der Folge gleich mehrfach über Bord werfen. Zum einen war nur jedes 25. ausgebrütete Thorshühnchen ein Kuckucksküken, zum andern kam keins von ihnen von einem Partner, mit dem das Weibchen früher sexuellen Kontakt gehabt hatte. Vielmehr kopulierten die Weibchen bei jeder sich bietenden Gelegenheit und mit diversen Männchen nebst dem biologischen Vater. Und das, so der erstaunte Forschungsleiter, «obwohl sie sich in einer Partnerschaft gegenseitig intensiv bewachen».

Sein nächstes Projekt ist damit klar: Die Thorshühnchen werden auf Schritt und Flug überwacht und ihre Bewegungsdaten ausgewertet, um zu ermitteln, welche Tricks die Weibchen da anwenden. Ob das erklärt, weshalb es nicht mehr Kuckucksküken gibt?

Noch glauben die Ornitholog:innen, die schneebedingt kurze Brutsaison habe ausschweifendere Fremdpaarungen verhindert.