Pop: Luzid aus der Spur
Man könnte es für ein Nebengeräusch halten, das kaum hörbare Raspeln, das sich da ans Schlagzeug schmiegt. Auch wenn die Orgel taumelt, fällt das kaum auf. Klar, es gibt genug zu bestaunen: umwerfende Melodien, eine majestätische Sixties-Gitarre, der Gesang, der so selbstverständlich verträumt und schalkhaft zugleich klingen kann. Doch auch wenn East Sister lupenreinen Dream Pop spielen, wie hier in «Wendy the Other Day» auf ihrem kürzlich erschienenen Album «The Velvet Fair», hat ihre Musik nichts von der einlullenden Schwere von Beach House. Ihre Songs klingen selbst da völlig luzid, wo sie aus der Spur zu geraten scheinen – auch wegen jener beiläufigen Zerstreuungen, aber vor allem dank der leichtfüssigen Präzision, die das Spiel der Band zusammenhält.
So ungezwungen, wie ihre Musik sich anfühlt, scheint sich auch die Geschichte von East Sister abzuspielen. Von 2016 an veröffentlichten sie zwei EPs, sie spielten an der Bad Bonn Kilbi und tourten durch England. Aber dann gingen Laura Schenk und Lorraine Dinkel, die beide singen und verschiedene Instrumente spielen, und Schlagzeuger Amadeus Fries wieder anderen musikalischen Projekten nach. Im ersten Pandemiesommer trafen die drei sich wieder, nahmen fallen gelassene Fäden auf, und dieses erste Album entstand, ohne dass sie es geplant hätten.
Es fallen zuerst die eleganten Popsongs auf, wie das von zarten Bassläufen getragene «Mildly» oder, harmonisch verwinkelter, «Circled Eye», bevor man bei den Umwegen hängen bleibt. «Podium» scheint nach der Hälfte auseinanderzubrechen, alles Mögliche scheppert und schichtet sich da über den schleppenden Beat, aber der schwebende Gesang nimmt dem kleinen Finale jede zerstörerische Dramatik. «Dawning Overall» ist eine impressionistische Collage aus neugierig montierten Sounds von alten Tapes. Keine halbe Stunde dauert die Reise, doch da hat man schon unzählige Welten passiert.
East Sister: The Velvet Fair. Red Brick Chapel. 2021