Kino-Film «Olga»: Weit weg von Kiew
Ukraine, vor neun Jahren. Die junge Kunstturnerin Olga (Anastasia Budiashkina) trainiert in Kiew für die Europameisterschaften. Als ihre Mutter, eine regimekritische Journalistin, zum Ziel eines Anschlags wird, drohen Olgas Träume zu platzen. Um zumindest ihre Tochter nicht weiter zu gefährden, schickt die Mutter sie in die Schweiz, nach Magglingen. Hier, in der Heimat des Vaters, den sie nie gekannt hat, soll Olga sich in Ruhe auf ihr grosses Turnier vorbereiten – wo sie dann zwar unter «falscher» Flagge starten würde, mit dem Schweizerkreuz, aber was macht das schon.
Das Genre des Sportfilms strebt gewöhnlich auf das Pathos eines entscheidenden Wettkampfs zu, mit dem gerechten Triumph oder der bitteren Niederlage als emotionalem Fluchtpunkt. Elie Grappes beeindruckendes Spielfilmdebüt «Olga» folgt weitgehend dieser erprobten Dramaturgie – und unterläuft sie zugleich, wenn das Finale auf sportlicher Ebene überschattet wird von etwas viel Grösserem.
So findet Olga in der Schweiz zwar den sicheren Boden, um ihren Ambitionen als Spitzensportlerin treu zu bleiben, doch sie bezahlt doppelt dafür. In ihrem neuen Team wird sie nicht eben freudig aufgenommen, als die Fremde, die anderen den Startplatz streitig macht. Und während Olga beharrlich ihr sportliches Ziel verfolgt, bekommt sie im Jura nur aus der Ferne mit, wie sich zu Hause Historisches ereignet, als in Kiew die Maidan-Proteste ausbrechen – mit ihrer Mutter mittendrin. Abgesichert auf ihrem Weg zum individuellen Triumph, bleibt Olga völlig abgekoppelt vom politischen Umsturz in ihrer Heimat.
So findet dieses geradlinige, kompakte – und unverhofft wieder brandaktuelle – Sportdrama nicht etwa im Wettkampf zu seinen intensivsten Momenten, sondern in der Garderobe und später in den Gängen. Dort also, wo Olga beim Turnier ihre Freundin aus dem ukrainischen Team wieder trifft, aber auch ihren früheren Coach, der neu die Russinnen trainiert – einst ein verschworenes Gespann, jetzt alle drei versprengt durch den nationalen Konflikt.
Olga. Regie: Elie Grappe. Schweiz/Frankreich 2021