Kommentar zur Credit Suisse und der Rolle der Politik: Freiheit für die Banken
Mit den «Suisse Secrets» steht die CS schon wieder schlecht da. Und mit ihr alle bürgerlichen Parteien.
Caroni war es! Seit die «Süddeutsche Zeitung» zusammen mit über 160 Journalist:innen weltweit ihre Recherche über Credit-Suisse-Konten von Kriegsverbrechern, korrupten Politiker:innen und Kriminellen publiziert hat, steht FDP-Ständerat Andrea Caroni in der Kritik. Dies, weil er 2014 eine Gesetzesänderung durchs Parlament brachte, die Whistleblower und Journalistinnen bis zu drei Jahre ins Gefängnis bringen kann, wenn diese helfen, geleakte Konten von öffentlichem Interesse zu enthüllen. Darum haben bei den jüngst publizierten «Suisse Secrets» keine Schweizer Journalist:innen mitgemacht.
Caroni alleine verantwortlich zu machen, ist jedoch zu simpel. Wie ein Blick ins Parlamentsarchiv enthüllt, stimmten mit Ausnahme von SP und Grünen alle anderen Parteien für die Kriminalisierung von Journalist:innen: SVP, FDP, die CVP (heute Mitte) wie auch die GLP. Und zwar geschlossen.
Sahen FDP und SVP nicht eben noch die Freiheit der Medien bedroht, wenn der Staat diesen einen finanziellen Zustupf gewähren würde? Wenn sich der Staat in ihr (Medien-)Geschäft einmischt, warnen sie gerne vor dem Staat. Geht es jedoch darum, Schweizer Bankgeschäfte mit Kriminellen zu decken, schrecken sie nicht davor zurück, die Pressefreiheit staatlich zu stutzen. Offenbar geht die Freiheit der Banken jener der Medien vor.
Dass das jüngste Leck Konten bis zurück in die 1940er Jahre enthält, verdeutlicht die Tradition, die der bürgerliche Staatsschutz für Banken hat. Das 1935 eingeführte Bankgeheimnis machte die Schweiz endgültig zum Tresor jener, die auch durch koloniale Ausbeutung Reichtum angehäuft hatten. Was könne man von einer Bank anderes erwarten, deren Gründer Alfred Escher Sklavereivermögen aus Kuba geerbt habe und deren Vorläuferbanken tief in den Sklavenhandel verstrickt gewesen seien, fragte Historiker Hans Fässler als Reaktion auf die jüngst geleakten Konten. Das meiste Geld auf den Konten stammt aus Ländern des Südens wie Venezuela, Thailand oder Ägypten.
Als nach der Finanzkrise 2008 die USA und andere die Schweiz mit ihrem Bankgeheimnis in die Zange nahmen, schworen die Bürgerlichen und die Banken, mit der Tradition zu brechen. Allerdings blieben sie auf halbem Weg stehen: Mit rund neunzig ärmeren Ländern unterhält die Schweiz keinen automatischen Informationsaustausch (AIA), der das Bankgeheimnis abschaffen sollte. Trotz internationaler Kritik am lückenhaften Schweizer Geldwäschereigesetz lehnte das Parlament 2021 eine Verschärfung ab. Und anders als in anderen Ländern kann die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) gegen fehlbare Banken keine Bussen verhängen.
Entgegen dem, was die Credit Suisse nun behauptet, sind die Probleme nicht vom Tisch. Etliche jüngst enthüllte Konten wurden erst vor wenigen Jahren geschlossen – oder bestanden zur Zeit des Lecks noch immer. Zudem war die Credit Suisse in den letzten Jahren immer wieder in Skandale verwickelt. 2018 stellte die Finma im Fall von Geschäften mit dem brasilianischen Ölkonzern Petrobras, der venezolanischen Ölfirma PDVSA und der Fifa zahlreiche Mängel bei der bankinternen Geldwäschereikontrolle fest. Vor allem gegenüber den Ländern des Südens ist das Bankgeheimnis nicht vom Tisch.
SP und Grüne fordern nun angesichts der Suisse Secrets, die Lücken beim Geldwäschereigesetz zu schliessen und die Finma mit Bussenkompetenz auszustatten – zudem wollen sie eine Anhörung der Credit Suisse durch das Parlament. Von den bürgerlichen Parteien ist dagegen kaum etwas zu hören. Falls sie weiterhin Schweizer Bankgeschäfte mit Kriminellen schützen, dürfte der internationale Druck jedoch steigen: Die konservative Fraktion des EU-Parlaments drohte am Montag, dass die Schweiz auf der schwarzen Liste landen könnte.
Ebenso fordern SP und Grüne, den von Caroni 2014 eingebrachten Gesetzesartikel abzuschaffen. FDP, SVP, Mitte und GLP erhalten so nochmals die Chance, zu beweisen, dass sie hinter der Pressefreiheit stehen.