Konzernverantwortung: PR-Hilfe vom Friedensinstitut

Nr. 14 –

Immer wieder gerät das Zuger Unternehmen Solway wegen des Geschäftsgebarens seiner Tochterfirmen in Guatemala in die Kritik. Neue Enthüllungen zeigen nun, wie Solway die renommierte Friedensstiftung Swisspeace einspannte, um sein Reputationsproblem zu lösen.

Vergiftete Menschen und deformierte Fische: Nickelmine der zum Schweizer Konzern Solway gehörenden Firma CGN in El Estor im Osten von Guatemala. Foto: Carlos Alonzo, Keystone

Wegen des Krieges gegen die Ukraine ging die Enthüllung etwas unter: Anfang März veröffentlichten verschiedene Medien weltweit – darunter die «Süddeutsche Zeitung» und das Westschweizer Fernsehen RTS – Recherchen über die guatemaltekischen Nickelminenunternehmen CGN und Pronico, die zum Schweizer Konzern Solway mit Sitz in Zug gehören. CGN betreibt in der Gemeinde El Estor, im Osten des Landes, eine Nickelmine, Pronico am selben Ort eine Anlage zur Produktion von Nickeleisen, das für die Herstellung von Stahl gebraucht wird. Ein Teil der Anwohner:innen protestiert seit Jahren gegen die Unternehmen. Ein Hauptkritikpunkt ist, dass die Zustimmung für den Abbau von Nickel nicht bei ihnen eingeholt wurde. Laut internationalen Abkommen ist das zwingend notwendig. Zudem werfen sie CGN und Pronico Luft- und Wasserverschmutzung vor. Der an El Estor grenzende Izabal-See hat sich in den letzten Jahren immer wieder rötlich verfärbt, viele Fische seien deformiert und krank.

CGN und Pronico wird jedoch auch Komplizenschaft mit den staatlichen Sicherheitsbehörden bei der Unterdrückung der Proteste vorgeworfen. In Guatemala kommt es laut Menschenrechtsorganisationen immer wieder zu Übergriffen des Staates gegen Menschenrechtsaktivistinnen und Journalisten. So wurden auch Proteste gegen das Unternehmen brutal niedergeschlagen. Im Herbst 2021 etwa löste die Polizei in El Estor eine Strassenblockade gegen die CGN-Werke mit Hubschraubern und Tränengas auf, verhängte danach einen dreissigtägigen Ausnahmezustand – und durchsuchte rund vierzig Häuser in der Gegend.

Grundlage der neuen Recherchen sind Daten eines gehackten Computerservers der Solway-Unternehmen, die dem Journalist:innennetzwerk Forbidden Stories von Unbekannten zur Verfügung gestellt wurden. Die Daten zeigen, dass Solway offenbar seit Jahren über die von ihm verursachte Luft- und Wasserverschmutzung Bescheid weiss, obwohl das Unternehmen in der Vergangenheit stets betonte, nichts mit den Umweltproblemen zu tun zu haben.

Laut dem Rechercheverbund fanden sich auf dem Server Studien, die belegten, dass wiederholt mineralische Abfälle des Werks in die nahe gelegenen Flüsse und in den Izabal-See gelangt sind. Andere Studien zeigten eine hohe Feinstaubkonzentration in der Umgebung der Mine. Insbesondere soll die Nickelkonzentration im Feinstaub so hoch sein, dass sie zu akuten Vergiftungen führen kann. Ausserdem hätten sich auf dem gehackten Server Dokumente befunden, die belegen, dass die Bergbaufirma gezielt Gelder an Schlüsselakteure, Gemeinden, aber auch die Polizei verteilte. Die Zahlungen seien als «strategische Ausgaben» oder «soziale Investitionen» bezeichnet worden. Auch seien Journalist:innen überwacht worden, und das Unternehmen habe Listen von Gemeindemitgliedern erstellt, die es gemäss ihrer Einstellung zum Unternehmen mit den Attributen positiv, neutral, negativ kategorisiert habe.

Die Reputation verbessern

Ein pikantes achtseitiges Schriftstück in der über zwei Terabytes grossen Datenflut wirft ein Schlaglicht darauf, wen Solway einspannt, um seine «Reputation zu verbessern» und «die Probleme zu lösen». Es handelt sich beim Papier, das der WOZ vorliegt, um den Vorschlag der PR-Firma Furrerhugi, des Consultingunternehmens Enemco und der renommierten Friedensstiftung Swisspeace für ein Beratungsmandat, datiert vom 5. November 2019. Swisspeace betreibt Friedensforschung, ist dabei auf die Analyse von bewaffneten Konflikten und deren Lösung spezialisiert. Darüber hinaus berät die Stiftung nicht nur Staaten und Organisationen – sondern vereinzelt auch Firmen. Dabei geht es laut eigenen Angaben um Friedensförderung durch «innovative und erprobte Methoden und Werkzeuge». Dass dies jedoch im Verbund mit dem PR-Büro Furrerhugi passiert, erstaunt. Umso mehr als das PR-Büro just zur Zeit der Kooperation vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse für eine millionenschwere Kampagne gegen die Konzernverantwortungsinitiative eingespannt war. Die Initiative wurde bekanntlich am 29. November 2020 von der Mehrheit der Stimmbevölkerung angenommen, scheiterte jedoch am Ständemehr.

In seinem Papier schlägt das Konsortium Solway unter anderem vor, alle relevanten Informationen zum Fall Guatemala zusammenzutragen und die Sicht auf Solway in der Schweiz zu analysieren. Dabei brauche es «taktisch» sogenannte «quick wins», die «helfen könnten, die «Situation vor Ort zu beruhigen». Auch wird Solway vorgeschlagen, ein Kommunikationskonzept für den Umgang mit «ausgewählten, relevanten Interessengruppen» auszuarbeiten.

Alice Froidevaux gehört zu so einer Interessengruppe. Ihre Erfahrungen mit dem Unternehmen sind ernüchternd. Als Mitglied der Guatemalanetze Bern und Zürich setzt sie sich seit Jahren für indigene Gruppen in Guatemala ein. Von den Enthüllungen von Forbidden Stories fühlt sie sich bestätigt: «Wir haben von der lokalen Bevölkerung gewusst, dass Solways Werk in Guatemala die Bewohner manipuliert und spaltet. Jetzt sieht man schwarz auf weiss das skandalöse Ausmass der Einflussnahme.»

Mehrmals schrieben die Guatemalanetze Bern und Zürich zusammen mit weiteren Organisationen Briefe an die Solway-Zentrale in Zug; erstmals am 23. Juni 2017, nachdem Carlos Maaz Coc, Fischer und Kritiker der Nickelmine, ermordet worden war und ein lokaler Journalist, der darüber berichtete, untertauchen musste. Die Guatemalanetzwerke forderten von Solway, die Ursachen der Verschmutzung des Izabal-Sees unabhängig zu klären, sowie einen «konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung». Solway antwortete, dass man als Konzernzentrale nur indirekten Einfluss auf das Werk in Guatemala habe, nicht in deren operationelles Geschäft involviert sei und darüber keine Kontrolle ausübe. Dennoch behauptet das Unternehmen gleichzeitig, dass es sich «freiwillig» darum sorge, dass all seine Tochterunternehmen die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank einhielten. Auch habe das Werk in Guatemala alles unternommen, um Wasserverschmutzungen auszuschliessen.

Der Briefverkehr mit Solway dauerte bis zum Sommer 2019 und wurde vonseiten des Konzerns zunehmend gehässiger geführt. «Wir betrachten ihre Briefe als Einschüchterung des Unternehmens», schrieb Geschäftsführer Denis Gerasev am 17. September 2019 und drohte nebulös mit einer «gründlichen Untersuchung» aufgrund «falscher Anschuldigungen».

Die Guatemalanetze Bern und Zürich verlegten daraufhin ihren Schwerpunkt auf Briefe und Gespräche mit Vertretern des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, des Staatssekretariats für Wirtschaft sowie des Schweizer Botschafters in Guatemala. Unterstützt werden sie bei diesen Bemühungen seit einiger Zeit vom Hilfswerk Fastenaktion. Den Vorschlag der Behörden, ein direktes Gespräch mit Solway zu organisieren, lehnten die Guatemalanetze ab. Solway müsse zuerst Gerichtsklagen gegen Gegner:innen der Mine in Guatemala zurückziehen und die von ihr gemachten Umweltstudien veröffentlichen. «Es muss klar sein, was das Ziel eines solchen Dialogs sein soll, und die Voraussetzungen dafür müssen stimmen. Wir wollten nicht, dass Solway einfach mit einem Scheindialog das Image aufbessern kann», sagt Froidevaux. Ihre Entscheide würden sie immer auch von der Meinung ihrer Gewährspersonen in Guatemala abhängig machen.

Swisspeace klärt auf

Dass nun Swisspeace genau um den Zeitpunkt des letzten Antwortschreibens von Solway zusammen mit dem PR-Büro Furrerhugi ein Beratungsmandat offerierte, kann Froidevaux nicht verstehen. Anfang 2020 betraute das Rohstoffunternehmen das Konsortium dann auch tatsächlich mit der Aufgabe. «Spätestens nach dem Bekanntwerden des Vertrags ist klar, dass sich Solway eine reine Weste machen lassen will. Es geht dem Konzern um seine Reputation.»

Laurent Goetschel ist Direktor von Swisspeace. Er bestätigt gegenüber der WOZ, dass Swisspeace insgesamt zwei Mandate von Solway angenommen habe – neben jenem mit Furrerhugi 2020 noch ein weiteres im Herbst 2021, ohne andere Involvierte. Den Vorwurf, Swisspeace habe so indirekt zur Imagepflege von Solway beigetragen, weist Goetschel zurück: «Wir haben im Gespräch mit Solway festgestellt, dass sie ein echtes Interesse haben, die Situation zu verbessern.» Swisspeace arbeite sehr oft mit schwierigen Partnern, und es bestehe immer die Gefahr, vereinnahmt zu werden. Man müsse in jedem Fall abwägen, was man bewirken könne. Dass Furrerhugi am ersten Mandat beteiligt war, findet Goetschel unproblematisch. Das Beratungsunternehmen Enemco habe die Partner zusammengebracht. Der Part von Swisspeace sei nicht die kommunikative Beratung gewesen, sondern die Aufklärung: Man habe Solway die Schwierigkeit ihrer Situation dargelegt und sie darüber aufgeklärt, was es für internationale Prinzipien bezüglich Menschenrechten und verantwortlicher Unternehmensführung gebe.

Auf die Frage, wieso Solway nicht schon längst von sich aus aktiv geworden sei und in der guatemaltekischen Tochterfirma durchgegriffen habe, antwortete Goetschel: «Leider ist es so, dass sie kurzfristig gar nicht so viel machen können, weil die Zentrale die lokalen Partner nicht unmittelbar kontrolliert.» Damit übernimmt Goetschel die Argumentation von Solway, die das in ihren Briefen an die Guatemalanetze ebenfalls behauptet. Allerdings wirkt diese Argumentation unglaubwürdig: Ein Konzern, der 2011 ein Unternehmen für 170 Millionen US-Dollar kauft und danach nach eigenen Angaben 620 Millionen in den Ausbau investiert, hat ganz klar auch die Verfügungsgewalt über das Unternehmen. Goetschel sagt dazu: «Ich nehme Solway nicht in Schutz, ich erkläre nur, wo das Problem liegt.»

Es braucht verbindliche Regeln

Aufgrund der jetzigen Enthüllungen von Forbidden Stories erhofft man sich bei den Guatemalanetzen Bern und Zürich, dass nun der Druck auf die Schweizer Regierung steigt, mehr für eine verbindliche Konzernverantwortung zu unternehmen. «Das Beispiel Solway zeigt exemplarisch, dass freiwillige Richtlinien für Unternehmen nicht genügen», sagt François Mercier von Fastenaktion. Er will in einer Koalition von NGOs den Bundesrat dazu bewegen, dass sich die Schweiz aktiv in die Uno-Verhandlungen für ein Abkommen zu Menschenrechten und Wirtschaft einbringt. Ziel wäre eine global verbindliche Vereinbarung, in der die Verantwortung von multinationalen Konzernen definiert würde. Allerdings verhalten sich die meisten Industriestaaten, darunter auch die Schweiz, dazu bisher passiv bis ablehnend. Der Bundesrat setzt weiterhin auf die Umsetzung von freiwilligen Regelwerken, wie er letztes Jahr aufgrund einer parlamentarischen Anfrage nochmals bekräftigte.

Dass ein Konzern wie Solway freiwillig dazu bereit ist, Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu akzeptieren, glaubt auch Alice Froidevaux nicht mehr. Solway dagegen schreibt auf Anfrage der WOZ, man sei dabei, die freiwillige Übereinkunft des Global Compact der Uno «zum integralen Bestandteil unserer Strategie, des täglichen Geschäfts und Organisationskultur zu machen». Gleichzeitig weist Solway alle Vorwürfe im Zusammenhang mit Forbidden Stories pauschal zurück. Sie basierten auf «Falschinformationen», seien «aus dem Kontext gerissen und Teil einer grösseren Desinformationskampagne». Solway will zwar die Anschuldigungen untersuchen lassen, doch von den Angeschuldigten selber, der Geschäftsstelle in Guatemala.

Ganz offensichtlich war die Beratung von Swisspeace vergebene Mühe.