Kino-Film «Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush»: Frau Kurnaz in Washington

Nr. 19 –

«Wie komme ich nach Lager Kuba Dings?» Rabiye Kurnaz aus Bremen versteht gar nichts mehr. Der Staatsanwalt hat die deutsch-türkische Hausfrau zur Befragung über ihren ältesten Sohn Murat vorgeladen. Der neunzehnjährige Schiffbaulehrling sitzt in Haft, seit 102 Tagen, nachdem er im Oktober 2001 heimlich an eine Koranschule nach Pakistan gereist und dort verhaftet und an die US-Armee in Afghanistan verkauft worden war. «Bremer Taliban» nennen ihn deutsche Medien, und nun eröffnet der Staatsanwalt der verzweifelten Rabiye Kurnaz, ihr Sohn sei in das Lager in Guantánamo Bay auf Kuba verbracht worden.

Vielleicht sind Szenen wie diese gewissen Leuten in den falschen Hals geraten und haben zur Meinung beigetragen, der neue Spielfilm von Andreas Dresen könne als rassistisch empfunden werden. Ja, Rabiye Kurnaz hat mit Politik und Religion nichts am Hut, sie liebt schnelle Autos, singt gerne Karaoke, geht ins Fitness, backt deutschen Apfelkuchen so perfekt, wie sie Köfte brät – und vor allem ist sie: Mutter dreier Söhne. Mithilfe eines anfänglich sehr spröden Menschenrechtsanwalts (grossartig: Alexander Scheer) setzt sie Himmel und Erde in Bewegung, will heissen: gelangt bis an den Obersten Gerichtshof in Washington und schliesst sich einer Sammelklage gegen George W. Bush an, um Murat aus der Hölle von Guantánamo zu holen.

Aus einem staatlichen True Crime eine Komödie zu machen, mag man grenzwertig finden. Aber wie die deutsch-türkische Comedienne Meltem Kaplan als Rabiye Kurnaz alles gibt in ihrer ersten Rolle in einem deutschen Kinofilm: Da muss man doch eher humorfrei sein, um das nicht zu geniessen. An der Berlinale wurde sie als beste Darstellerin ausgezeichnet, dazu gabs den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Und man ist sogar geneigt zu verzeihen, dass der Name des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der als Chef des Bundeskanzleramts und Beauftragter für die Nachrichtendienste die Freilassung von Murat Kurnaz jahrelang hintertrieben hatte, im Film nicht genannt wird.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush. Regie: Andreas Dresen. Deutschland 2022