Frank-Walter Steinmeier: Schon wieder kein Wunschkandidat
Man sollte Sigmar Gabriel nicht unterschätzen: Zwar ist der sprunghafte SPD-Vorsitzende auch in der eigenen Partei umstritten, doch ist er bisweilen für clevere Manöver gut. Dies bezeugte Gabriel vor einigen Wochen mit seinem Einfall, Aussenminister Frank-Walter Steinmeier über die Presse als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel zu bringen.
Für sein Vorpreschen musste der Vizekanzler zunächst zwar verbale Prügel einstecken, doch hat er Bundeskanzlerin Angela Merkel damit erfolgreich den eigenen Wunschkandidaten aufgenötigt. Trotz aller Bemühungen schaffte es Merkel nämlich nicht, eine mehrheitsfähige Alternative zu präsentieren. So musste sie schliesslich erklären, Steinmeier würde als «Mann der politischen Mitte» auch die Unterstützung von CDU und CSU geniessen. Als gemeinsamer Kandidat der Koalitionsparteien steht der populäre Aussenminister faktisch als Nachfolger von Joachim Gauck fest.
Wieder einmal hatte Merkel bei der Besetzung dieses Postens kein glückliches Händchen: Keiner der drei Präsidenten, die während ihrer Kanzlerschaft bisher ins Amt kamen, war Merkels Favorit. Ausschlaggebend war in Steinmeiers Fall vor allem die CSU: Deren Chef Horst Seehofer hatte sich gegen den rechten Grünen Winfried Kretschmann, mit dem Merkel liebäugelte, gewehrt. Denn ein von den Konservativen unterstützter grüner Bundespräsident wäre so etwas wie die Vorwegnahme einer schwarz-grünen Koalition gewesen – und dieses Bündnis will man in Bayern partout nicht zulassen.
Obschon man die Personalie des Bundespräsidenten nicht überbewerten sollte, ist die Entscheidung für Steinmeier zumindest keine schlechte Nachricht für alle, die nach den Bundestagswahlen im nächsten Jahr nicht auf eine schwarz-grüne, sondern auf eine rot-rot-grüne Koalition hoffen. Und wenigstens ist das Ende der Ära Gauck nun absehbar: Der parteilose Bundespräsident hatte sich immer wieder reaktionär geäussert, etwa als er die New Yorker Occupy-Proteste als «unsäglich albern» bezeichnete oder den Rechtspopulisten Thilo Sarrazin verteidigte.
Derlei kann man Steinmeier nicht vorwerfen. Anderes dagegen schon: Am Dienstag meldete sich der frühere Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz zu Wort und forderte von Steinmeier zum wiederholten Mal eine Entschuldigung. In einem Untersuchungsausschuss war diesem einst vorgeworfen worden, als Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder ein Auslieferungsangebot der USA ausgeschlagen zu haben, obwohl keine Beweise für terroristische Aktivitäten gegen Kurnaz existierten. Die Affäre bleibt bis heute ungeklärt.