Energiepolitik I: Finger weg vom Risiko
Energieministerin Simonetta Sommaruga möchte einen Rettungsschirm für die Strombranche: Bereitgestellt werden sollen zehn Milliarden Franken. Das Parlament berät die Vorlage in der Sommersession.
Früher bauten Kantone und grosse Gemeinden gemeinsam Kraftwerke, um die Bevölkerung und die Wirtschaft zuverlässig mit Strom zu versorgen. Im liberalisierten europäischen Strommarkt verdienen nun aber grosse Energieunternehmen wie Axpo oder Alpiq nicht mehr mit den kleinen privaten Kund:innen ihr Geld, sondern mit hochkomplexen Stromgeschäften. Der Energiekonzern Axpo, der den Ostschweizer Kantonen gehört, ist beispielsweise in 32 Ländern tätig – von Nordeuropa bis Rumänien, von den USA bis nach Singapur.
Wer viel verdient, geht für gewöhnlich auch hohe Risiken ein – was bedeutet, dass man sich auch verrechnen und über Nacht pleitegehen kann. Alpiq wäre das Ende vergangenes Jahr fast passiert. Der Konzern ist in 30 Ländern präsent und hatte sich mit seinen Handelsgeschäften vertan. Er bat den Bund um Hilfe. Die Aktionär:innen sprangen dann aber kurzfristig ein.
Hätte der Bund helfen müssen, wäre das nur mit Notrecht gegangen – so wie Bund und Nationalbank im Herbst 2008 in einer Geheimaktion mit sechzig Milliarden US-Dollar die UBS retteten. Wäre die Grossbank bankrottgegangen, hätte sie vielleicht die ganze Schweiz mitgerissen. Auch die grossen Schweizer Energieunternehmen sind «too big to fail» – zu gross, um sie untergehen zu lassen, weil sonst die Stromversorgung zusammenbrechen könnte.
Sommaruga hat recht, wenn sie über den Stromrettungsschirm reden will, bevor es ihn braucht. Denn Notrecht ist in einer Demokratie immer unschön. Doch ist ihr Rettungsschirm gut oder schlecht? Falsche Frage. Die richtige würde lauten: Wie muss man die grossen Stromversorger regulieren, damit sie keinen Rettungsschirm brauchen? Damit sie gar nicht in Versuchung kommen, unser aller Vermögen – die Schweizer Kraftwerke – auf dem internationalen Parkett zu verspielen? Eine existenzielle Frage – unklar ist allerdings, ob das Parlament sie überhaupt aufnehmen wird.