Jazz: Ruhige Dringlichkeit

Nr. 23 –

Ein akustisches Schimmern eröffnet das Album – zwei Klänge, die Klavier und Gitarre in die Welt setzen. Im Verlauf der nächsten Minuten setzt Manuel Troller auf seiner tief gestimmten Gitarre ein paar dunkle Schattierungen dazu. Im Hintergrund ist die Perkussion von Julian Sartorius erwacht. Raphael Loher bearbeitet mit dem E-Bow die Saiten im Innenraum seines Klaviers. Troller navigiert mit Einzelklängen, Effekten, Bassspiel und Akkorden. Sartorius entwickelt eine reduzierte Schlagabfolge, die sich subtil verändert. Nach sechs Minuten zeichnet sich ein klarer Beat ab, nach dreizehn Minuten ein erster Gitarrenakkord.

Beim Klangmaterial bleiben und in die Tiefe gehen: Das war ein Ziel, das sich das Trio Baumschule für sein Debütalbum «( )» vorgenommen hat. Daraus ist ein einziger, knapp vierzigminütiger Track geworden. Dessen erstaunliche Entfaltung geschieht ohne Hast. Die Musiker verzichten auf grelle Interventionen. Solche würden vielleicht kurz die Aufmerksamkeit erregen, aber die Wirkung des Ganzen sofort destabilisieren. Ihre Einwürfe erfolgen dosiert, doch markant. Niemand muss sich in Szene setzen oder eigenwillig ausscheren. Stattdessen wächst ein Klang- und Rhythmuskörper, der sich wärmt und verdichtet.

Trotz Reduktion und disziplinierter Spielweise klingt die Musik weder karg noch konzeptionell. Sie steht unter Spannung und ist mit einer ruhigen Dringlichkeit geladen. Während einen die übliche Minimalmusik eher zerebral betäubt, wirkt diese organisch keimende Suite aus Dynamik und Tiefenschärfe ausgesprochen belebend. Vieles bekommt man erst beim wiederholten Hören mit. Dass sich der Beat bis am Ende des Stücks verdoppelt – wer hätte das für möglich gehalten?

Kurz vor dem Ende schält sich das kurze Motiv des Klaviers aus dem Kollektiv und verglimmt langsam. Die Klänge bleiben, verstummen. Ein Hauch fährt durch die Baumschule. Es ist kein Wind. Es ist nur die Gänsehaut. 

Baumschule: ( ). three:four records. 2022