Pop: Bewusste Leerstellen
Die Bassistin Kaya Thomas-Dyke stellt ihr Instrument zur Seite und singt: «Nobody listens anymore / what are we talking for» – niemand hört mehr zu, wozu sprechen wir überhaupt? Ihre Stimme klingt klagend, im Hintergrund sind auf einer Akustikgitarre gezupfte Akkorde und Perkussion zu hören. Nicht nur die singende Bassistin fällt auf im Song «People», der auf dem neuen Album des Londoners Alfa Mist, «Bring Backs», zu finden ist. Bemerkenswert ist auch, dass der Pianist Mist, der sich das Klavierspielen selbst beigebracht hat, auf diesem Track gar nicht selbst mitspielt. Diese Leerstelle steht stellvertretend für die Musik auf diesem Album: Sie ist bescheiden, auf bestmögliche Weise – die MusikerInnen lassen sich gegenseitig Platz.
Alfa Mist ist bekannt für seinen fein abgestimmten und nachdenklichen Sound: Jazz, in dem auch immer wieder Rap-Elemente vorkommen. Auf «Bring Backs» erfindet Mist nichts Neues, dennoch wirkt die Musik darauf nicht überholt. Dies vor allem, weil das Album vielschichtig hörbar ist. Einerseits groovt die Musik, ist eingängig; die einzelnen Songs fliessen ineinander. Andererseits schwimmen in diesem Fluss auch Treibhölzer, der Groove wird immer wieder gebrochen.
Zum Beispiel in «Last Card (Bumper Cars)»: Der Song beginnt mit flächigen Pianoakkorden, dazu wird ein Gedicht gelesen, das von einer Frau handelt, die den afrikanischen Kontinent verlassen hat, nun in Europa lebt und hart arbeiten muss. In der letzten Zeile kommt es zum Bruch, die Hauptfigur wirft ihre Alltagslast ab: «But Friday was payday» – Freitag war Zahltag. Passend dazu variiert auch die Musik. Drums setzen ein, die Pianoakkorde klingen nicht mehr ausufernd, sondern klar und auf den Punkt gespielt. Die Interaktion mit der gesprochenen Sprache ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Alfa Mists Musik Raum eröffnet: nicht nur für die einzelnen Instrumente, sondern hier auch für eine Geschichte, die der Musik zusätzliche Tiefe verschafft.
Alfa Mist: Bring Backs. Anti-Records. 2021