Leser:innenbriefe
Karibik und Pazifik
«Gauguin auf Tahiti: Ist der alte Franzose noch zu retten?», WOZ Nr. 22/2022
Der Artikel über die Rezeption von Gauguins Tahitibildern ist klug und differenziert in seiner Argumentation, warum die gängige Rezeption zu wenig klug und differenziert sei – bis die Autorin eben mal kurz die polynesischen Inseln (im Pazifischen Ozean, östlich von Indonesien) mit der Karibik (im Atlantischen Ozean, östlich von Mittelamerika) gleichsetzt! Autsch! Ja, so weit reicht der Kolonialismus in die Wahrnehmung der Welt hinein. Oder wie schon Baby Jail sangen: «Nid überall, wo d Sunne schiint, hets e Glacecharte» bzw. ist «Karibik».
Elena Konstantinidis, per E-Mail
Pazifistenbashing
«Friedenspolitik: ‹Radikaler Pazifismus führt in eine Sackgasse›», WOZ Nr. 21/2022
Pazifistenbashing ist in Mode – selbst, wer hätte es gedacht, in der WOZ. Man sucht einen Schuldigen und haut den Sack statt den Esel. Gorbatschow war ein Pazifist von historischer Bedeutung. Es ist ihm gelungen, den Wandel der Sowjetunion ohne Blutvergiessen zu bewerkstelligen. Sein Nachfolger, bewundert darin auch von gewissen Schweizern wie Roger Köppel, ist einer der übelsten Militaristen der Weltgeschichte. So what?
Solange Putin uns die Tagesordnung diktiert (Panzer gegen Panzer, Kanonen gegen Kanonen), solange der militärisch-industrielle Komplex des Westens mit klammheimlicher Freude mitspielt, hat Friedensforschung tatsächlich keine Chance. Mit den Milliarden für den Kampfjet scheinen ja auch unsere Probleme gelöst, die paar Tausender für ein schweizerisches Konfliktmanagement wären – falls man sie überhaupt noch ausgeben will – ein weiteres Mäntelchen für unsere «kooperative Neutralität».
Dabei böte die neuere Geschichte genug Anschauungsunterricht für einen letztlich zielführenden, praktischen Pazifismus. Der zivile Widerstand in Prag 1968, die Bürgerrechtsbewegung Martin Luther Kings, Gandhis gewaltfreie Befreiung einer ganzen Nation waren Aktionen nicht ohne Opfer, aber vor allem nicht ohne ernsthaftes Einüben, allerdings statt von Gewehrgriffen von wirksameren, das heisst psychologischen Strategien. Ist es in der Ukraine zu spät dafür? Niemand weiss es – nur die geschlagenen Wunden für die kommenden Generationen werden mit jedem neuen Kriegstag gewisser.
Jean-Pierre Anderegg, Freiburg