Von oben herab: Grün ist die Hoffnung

Nr. 25 –

Stefan Gärtner über Diebstahlquoten

Neulich habe ich geklaut, zum ersten Mal im Leben, oder zum zweiten Mal, wenn man den Apfel mitzählt, dessentwegen der Grundschüler einen Anschiss von der Apfelbaumbesitzerin bekam, die den Rest ihrer Äpfel dann den Wespen überliess. Am Wegesrand jedenfalls neulich das, was im Hochdeutschen Sperrmüll und in der Schweiz garantiert wieder anders heisst («Spezialkehricht»?), und im Sperrmüll lag eine E-Gitarre, unbeschädigt und vollständig, und der Grosse, mit der Mama auf dem Weg zum Bus, bekam grosse Augen, denn sein Lebensziel ist Rockstar, und das meiste von den Beatles kann man ihn schon unbesorgt im Freien spielen lassen. Auf dem Rückweg griff Mama zu, doch dann ging das Fenster auf, und eine alte Frau befahl ihr, die Gitarre zurückzulegen, es sei nämlich ihre. Aber die liege doch auf dem Müll, gab Mama zu bedenken. – Das sei egal. – Aber ein kleiner Junge freue sich darüber! – Das sei eine dumme Ausrede. – Also wolle sie, die Frau, dass eine intakte Gitarre zerstört werde? – Ja, das wolle sie allerdings!

Nun ist gegen Bosheit ja kein Kraut gewachsen, und rechtlich ist es so, dass den Sperrmüll hinausstellen nicht bedeutet, den Besitzanspruch aufzugeben. Die Mama trollte sich also, und Papa erkannte die Gelegenheit, sich unsterblich zu machen, ging los, griff zum zweiten Mal zu und entkam, denn das Fenster blieb geschlossen. Juristisch ein astreiner Diebstahl, und mir schlug das Herz im Hals, denn eben erst war ich beim Optiker gewesen, nach Gleitsichtgläsern fragen, und mein letztes Wahlkreuz für die Grünen ist 25 Jahre her, und weil ich alt werde und die Grünen nicht wähle, mag ich nicht gern stehlen.

Die «SonntagsZeitung» hat nämlich einen möglichen Zusammenhang zwischen Parteiaffinität und kriminellem Verhalten Jugendlicher untersuchen lassen, und ein Delinquenzforscher von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat diesen Zusammenhang klar nachgewiesen: «19 Prozent aller jugendlichen Grünen-Sympathisanten haben schon mal im Laden etwas mitgehen lassen, mehr als bei jeder anderen Parteineigung», fasst 20min.ch zusammen, und für einen Jugendpsychologen ist das ganz klar ein «Aufstand gegen den Kapitalismus, gegen Bonzen und Abzocker», also etwas, was mit den deutschen Grünen doch längst nicht mehr zu machen ist.

Die deutsche Grüne Göring-Eckardt bewarb das Hartz-IV-Programm zum Schurigeln der Unterschicht einst als «Bewegungsangebot», und ein älterer Witz lautet, die Grünen seien die FDP für alle, die ihren Müll trennen. Nichts verursacht so viel Treibhausgas wie der grüne Lifestyle, der nach dem Einkauf im Biomarkt, wo es die Ayurveda-Zahncreme aus Indien gibt, die Selbsterfahrungsflugreise zum Amazonas bucht, und wenn jemand dafür sorgen wird, dass bald E-Autos die Strassen verstopfen, dann sinds die deutschen Grünen, die noch da, wo sies gut meinen, vollkommen systemkonform sind, ja vielleicht die konformsten von allen, weil sie nämlich für den Glauben stehen, Kapitalismus sei als guter möglich. Dass die antikapitalistische Jugend für die Zukunft grün sieht, wäre also ein Witz, aber ein plausibler, denn eine linke Partei, die rockte, gibt es nicht, und gäbe es sie, wie links könnte sie sein? Je linker, desto Apple, und das ist das Problem. Noch wenn man sein iPhone klaut.

Sekunde – ich höre, ich dürfe nicht von den deutschen Grünen auf die Schweizer Grünen schliessen, die seien nämlich gegen das E-Auto und also geradezu wählbar. Das freut mich ehrlich, wird aber auch damit zu tun haben, dass die Schweiz keine Autoindustrie hat, und so weit links stehen die helvetischen Grünen wieder nicht, dass ihnen die Studie nicht peinlich gewesen wäre: Die Kopräsidentin der Jungen Grünen, Julia Küng, liess knapp verlauten, die Studie sei «nicht schweizweit repräsentativ».

Das wird die Bonzen freuen.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

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