Film: Das Andere im Gleichen

Nr. 37 –

«Ich kann die Welt nicht verändern, aber ich kann die Hausordnung durchsetzen.» Die Freude des Regieduos muss enorm gewesen sein, als das Securitrans-Personal diesen Satz ins Mikrofon sagte. Ein Satz, der das Universum aller denkbaren Möglichkeiten auf ein Minimum des Funktionierens eindampft. Die Welt ist dann noch etwa so gross wie ein Luxemburgerli aus der Bahnhofsconfiserie.

Der Dokumentarfilm von Sandra Gysi und Ahmed Abdel Mohsen erkundet zwei grosse Bahnhöfe und zeigt die Menschen, die darin ihre Arbeitszeit verbringen: in Zürich, HB der Schweiz, und in Kairo Ramsis, dem «Hauptbahnhof Ägyptens». Ihre Gleise enden nur scheinbar in der jeweils anderen Endstation. Dazwischen liegen soziokulturelle Universen, die kein noch so schlauer Match Cut glaubhaft überwinden kann. Und keine Eisenbahn der Welt. Nur Menschen scheinen das zu schaffen.

Mit dem Fokus auf migrantische Biografien gelingt die Verbindung der ungleichen Destinationen, denn da und dort arbeiten sie hinter den Kulissen: Menschen, die gekommen, geflüchtet sind, solche, die wegwollen, wegmüssen. Jene, die nie wegwollen würden. Ausgangs- und Endpunkte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier die Multikulti-Schweiz, im strammen Takt von Recht und Ordnung, da das sanierungsbedürftige Kairoer Gleisfeld, wo immer jemand über die Schienen stolpert, sich blinde Passagiere an die Züge klammern, ganze Zuggarnituren verloren gehen können – und nur Allah weiss, ob der Tag ohne Zwischenfall zu Ende gehen wird.

Gerade in Verbindung mit dem oft verzerrenden (und insgesamt latent aufdringlichen) Musikeinsatz werden die Essenzialismen, die einem da schwanen, rasch unangenehm. Noch unangenehmer ist nur das Bild, das im Film das eigene Geburtsland abgibt. Die Schweiz, wie sie sich an ihrem wichtigsten Bahnhof abhandelt: Man muss sie einfach hassen. Indem er das in Erinnerung ruft, ist «Mahatah» doch ein sehenswerter Film.

Filmstill aus Filmstill aus «Mahatah – Side Stories from Main Stations»: Frau mit Kopftuch neben einem Zugwagon

«Mahatah – Side Stories from Main Stations». Regie: Sandra Gysi und Ahmed Abdel Mohsen. Schweiz 2022. Jetzt im Kino.