Wichtig zu Wissen: Putinverdruss und d Liz isch duss

Nr. 40 –

Ruedi Widmer über Inflation, Infantino und Rösti

Ich gehe nicht an die Inflation. Je weniger gehen, desto besser.

Auch diese Woche bestätigt sich, was ich letztens schrieb: Die Politiker:innen kommen immer wieder von neuem. Geschichte wiederholt sich. Liz Truss startete Anfang September als Margaret Thatcher, macht nun nach vier Wochen 180 Grad kehrt und haust nun neu als Tony Blair in der Downing Street 10. Sie dürfte noch vor Weihnachten als Theresa May gestürzt werden. Der oder die nächste vermutlich linke Premierminister:in (wahrscheinlich Keith Starmer) könnte dann durchaus als Harold Wilson beginnen. Mal sehen, wie lange er oder sie das aushält.

Brasiliens Lula versucht sich nochmals als der Lula der Wirtschaftswunderzeit. Aber die Zeiten haben sich geändert.

Homöopathische Atombomben wären in der Schweiz sofort sehr beliebt.

Nicht bei uns. Albert Rösti will der neue Adolf Ogi werden; ein gemütlicher Berner Bundesrat. Ogi war schon selber ein Revival von Rudolf Gnägi. Nun gibts also im Bundesrat ein Gnägi mit Rösti und Ogi.

Ich schaute am Freitag husch via Youtube in diese Annexionsfestivitäten auf dem Roten Platz. Putin ist nicht nur politisch und militärisch untendurch, sondern auch als Redner («Hurra»). Seinen herbeigekarrten Fähnchenschwenkern – kaum mehr Leute als an der Coronademo in Winterthur tags darauf – vermag er nur ein artiges Gejubel zu entlocken. Im Publikum ist die gewünschte Leidenschaft für Eroberung, Tod und Verwüstung nicht wirklich feststellbar. Viele wurden gegen ihren Willen hingeschleppt. Unwohlsein bei mir erzeugte unter anderem ein weisser Sänger mit blonder Dreadlockfrisur in einem SS-Mantel.

Unverständlich, dass in unseren Breitengraden immer noch so viele Putin verehren. Möglicherweise ist er nicht mal so sehr in Russland als vor allem in der Schweiz und in Deutschland ein Star. So wie Lady Gagas (USA) «Hold My Hand» weltweit nur in der Schweiz ein Top-Ten-Hit wurde, oder wie die britische Band Barclay James Harvest, die in der Schweiz und Deutschland viel erfolgreicher als zu Hause war. Oder der FC Winterthur, der in Sion aufblüht und nicht auf der Schützenwiese.

Der Abgang von Bundesrat Maurer muss medial nicht extra vermerkt werden, schliesslich waren ihm die Medien stets schnuppe. In den USA ist er ja auch bekannter als bei uns («Togethe ahead», «Withe House», «I can nothing say to this issue», 2019).

Anlässlich der Women’s Champions League im Fussball schrieb der «Spiegel», Wolfsburg spiele in einer «machbaren Gruppe». Die Schweiz befindet sich an Infantinos Männerfussball-WM (hier Boykottaufruf aussprechen) eher in einer nur halb machbaren Gruppe. Brasilien zu knacken, fällt ja selbst Lula nicht leicht.

Hobbyrockmusiker sagen vielleicht im Übungsraum auch zueinander, Status Quo sei eine machbare Gruppe, im Gegensatz zu Barclay James Harvest. Gerade ältere Rockmusiker bleiben oft in der Gruppenphase hängen, derweil jüngere tennislike eher ein Einzel oder Doppel durchmachen, da werden Kate Bush, Björk oder Duos wie The XX oder The White Stripes bevorzugt.

Die kurze, überaus machbare Grippe bei mir letzte Woche erwies sich nicht als Corona.

Putins Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow schickt seine Söhne in den Krieg und will auch Atombomben einsetzen. Seine grosse Menschlichkeit zeigt sich darin, dass er nur solche «mit geringer Sprengkraft» zu verwenden vorschlägt (besser erträglich für die Söhne).

Homöopathische Atombomben – etwas Esoterik, etwas Kreml – wären in der Schweiz sofort sehr beliebt.

Nachdem ich am Samstag die «Aufarbeitungsdemo» der Coronaskeptiker und Putinfreundinnen in Winterthur gesehen habe, denke ich: Lieber Echsenmenschen als Reichsbürger.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.