Klimakonferenz: Der Konflikt: Die Gelder reichen nicht

Nr. 43 –

Wenig deutet darauf hin, dass bei der COP27 in Scharm el-Scheich grosse Durchbrüche erzielt werden. Wahrscheinlicher ist ein Streit über die Folgen der Klimaerhitzung und deren Kosten.

Der Handlungsbedarf ist offensichtlicher denn je. Ein Jahr ist seit dem Ende der 26. Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow vergangen, und seither hat sich die Erderhitzung wieder unmissverständlich bemerkbar gemacht: etwa in Form zerstörerischer Überschwemmungen in Pakistan und Nigeria oder anhaltender Hitzewellen und Trockenheitsperioden auf der gesamten Nordhalbkugel, von den USA über Europa bis nach China. Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika verschlimmerte sich derweil nach einem weiteren Dürrejahr.

Trotz dieser Dringlichkeit erwarten Expert:innen nicht allzu viel, wenn sie nun nach Scharm el-Scheich blicken. Im ägyptischen Küstenort auf der Sinaihalbinsel werden sich ab übernächster Woche, vom 6. bis zum 18. November, Vertreter:innen aus 190 Ländern zur COP27 einfinden, der 27. Konferenz der Vertragsstaaten der Uno-Klimarahmenkonvention. Sie würden ihre auf 2030 ausgerichteten Klimapläne bis dahin überdenken und verbessern, haben sie an der letzten Konferenz in Glasgow versprochen. Tatsächlich kündigten die allermeisten Länder bis heute aber keine Anpassungen und schon gar keine gewachsenen Ambitionen an.

Wer kommt für die Schäden auf?

Das liegt wohl zu einem grossen Teil auch daran, dass sich seit dem letzten Klimagipfel nicht nur die klimatischen, sondern auch die geopolitischen Zustände verschärft haben: Seit Russlands völkerrechtswidrigem Einmarsch in die Ukraine ist die Klimapolitik weltweit in den Hintergrund gerückt.

Einige erfreuliche Entwicklungen gibt es zwar, etwa in Australien, wo im Mai mit Scott Morrison ein notorischer Klimaleugner abgewählt und eine eigentliche Klimapolitik überhaupt erst möglich gemacht wurde. Insgesamt aber läuft vieles gänzlich in die falsche Richtung: So hat die Fossilindustrie die geopolitischen Umwälzungen genutzt, um sich angesichts steigender Rohstoffpreise wieder als unentbehrlich zu positionieren und für neue Förderprojekte, etwa in Afrika und Asien, zu werben. Deren Umsetzung allein würde das Pariser Ziel, die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, schon unerreichbar machen. Dass die EU derweil in einer neuen Taxonomieverordnung Erdgas als vermeintlich nachhaltige Energiequelle grüngewaschen hat, wird bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen nicht helfen. Noch immer beträgt die Differenz zwischen dem 1,5-Grad-Ziel und den global bislang versprochenen Reduktionsmassnahmen bis 2030 viele Milliarden Tonnen an CO₂-Äquivalenten. Vielleicht sei selbst eine Beschränkung der Erderhitzung auf 2 Grad bereits unerreichbar, sagte im März Uno-Generalsekretär António Guterres.

Seit dem letzten Gipfel kündigten die meisten Länder keine gewachsenen Amibtionen an.

Umso wichtiger, betonte Guterres dann im September an der Uno-Generalversammlung, sei deshalb die Frage der Kompensation für Verluste und Schäden, «loss and damage», die von der fortschreitenden Klimaerhitzung verursacht würden. Seit Jahrzehnten fordern NGOs und finanzschwächere Länder, dass es hierfür Kompensationszahlungen brauche, gewissermassen nach dem Verursacherprinzip: Die historisch emissionsreichen Länder sollen demnach für die Zerstörung aufkommen, die sie in ärmeren und von Klimakatastrophen besonders stark betroffenen Ländern verursacht haben. Im Hinblick auf die COP27 forderte Guterres endlich Fortschritte: Es sei «höchste Zeit, über endlose Diskussionen hinauszugehen».

Dass in Scharm el-Scheich tatsächlich zielführend über die Finanzierung von Klimaschäden diskutiert wird, ist aber zu bezweifeln. Was wohlhabenden und emissionsreichen Ländern punkto Klimafinanzierung bislang abgerungen werden konnte, betrifft bloss Unterstützungsgelder für Emissionsreduktionen oder die Anpassung an Klimaveränderungen (vgl. «Von der Gerechtigkeit blieb wenig»), nicht aber Kompensationen für erlittene Schäden und Verluste.

 

 

Sie sperren sich dagegen, weil sich aus entsprechenden Eingeständnissen womöglich weitreichende Schadenersatzforderungen ableiten liessen. Bereits wird befürchtet, dass die anstehende Klimakonferenz gleich zu Beginn in einen ausufernden Streit über die Themensetzung versinken wird: Die einen Länder wollen über die Kosten erlittener Schäden sprechen, die anderen wollen sich einmal mehr davor drücken. Und wenig überraschend gehört die Schweiz, Bankenplatz und zentrale Handelsdrehscheibe für Kohle, Öl und Erdgas, nicht zu jenen, die sich gesprächsbereit geben. So kündigte Franz Perrez, Leiter der Schweizer Klimadelegation, im Vorfeld des Gipfels an, das Anliegen nicht zu unterstützen. «Der Ruf, dass die Industrieländer für alle Schäden aufkommen sollen, die in armen Entwicklungsländern anfallen, ist zu undifferenziert, zu pauschal und führt nicht zu einer Lösung», sagte er gegenüber SRF.

Sponsoren statt Zivilgesellschaft

Daran wird auch nichts ändern, dass der Klimakonferenz in Scharm el-Scheich eine gewisse symbolische Bedeutung zukommt: Erstmals seit sechs Jahren findet wieder eine COP auf afrikanischem Boden statt, auf dem Kontinent also, der grösstenteils kaum zur Klimaerhitzung beiträgt, aber besonders stark von deren katastrophalen Folgen betroffen ist. Und auf dem fast überall die Mittel fehlen, sich angemessen dagegen zu wappnen. Der Staatshaushalt der meisten afrikanischen Länder ist wesentlich kleiner als die Jahresbudgets von Weltkonzernen wie Coca-Cola, Siemens oder Microsoft, die in Scharm el-Scheich prominent als Werbepartner auftreten dürfen.

Anders als finanzstarke Sponsoren haben es zivilgesellschaftliche Organisationen aus Ägypten indes wesentlich schwerer, Zugang zur COP im eigenen Land zu erhalten: Mehreren wurde in einem undurchsichtigen Prozedere die Teilnahme verweigert. Es sind Menschen- und Frauenrechtsorganisationen, die im Land unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ohnehin seit Jahren mit umfangreicher Repression, Einschüchterung und Schikane zu kämpfen haben. Auch dieser Umstand trägt dazu bei, dass unter Beobachter:innen keine allzu grossen Hoffnungen in die anstehende Klimakonferenz gesetzt werden: Wo selbst die Stimmen der lokalen Zivilgesellschaft unterdrückt bleiben, ist wenig Bahnbrechendes zu erwarten.