Uno-Klimakonferenz in Dubai : Geht es nun vorwärts mit Entschädigungen für die Klimafolgen?
Widerstand von der Zivilgesellschaft, zahlreiche offene Fragen und schwere Vorwürfe gegen die ausrichtenden Emirate. Die COP28 findet unter schwierigen Bedingungen statt.
So hatten sich das die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wohl kaum gewünscht. Sie organisieren die 28. Konferenz der Vertragsstaaten der Uno-Klimarahmenkonvention (COP28), die vom 30. November bis zum 12. Dezember in Dubai stattfindet. Bei der jährlichen Weltklimakonferenz beraten die Vertreter:innen von rund 200 Staaten über weitere Massnahmen zum Klimaschutz – und müssen mit Widerstand rechnen.
Der Anlass soll wie andere Grossveranstaltungen auch dem Image des Golfstaats dienen. Denn die VAE wollen vom Bild des autoritären Ölstaats weg, und Klimapolitik spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Emirate zählten zusammen mit Saudi-Arabien und Ländern wie Kuwait in der internationalen Klimapolitik lange zu den Blockierern. Das hat sich seit Ende der nuller Jahre verändert. Da ihre Volkswirtschaften auf dem Export fossiler Brennstoffe beruhen, sind sie vom stark schwankenden Ölpreis extrem abhängig und hatten ein Interesse daran, diese vom Fokus auf Erdöl wegzubringen. Zudem setzten die USA, China oder auch die Europäische Union vermehrt auf erneuerbare Energien und grüne Technologien, was die Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft der ölexportierenden Länder verschärft. Die VAE, Saudi-Arabien und Katar begannen, sich als «grüne Vorreiter» aufzustellen – Katar richtete 2012 erstmals eine Klimakonferenz aus, und die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien hat seit 2009 ihren Sitz in Abu Dhabi. Eine erfolgreiche Ausrichtung der COP28 soll diese Anstrengungen nun weltweit sichtbar machen.
Die Emirate stiessen als Ausrichter von Beginn an auf Widerstand, vor allem vonseiten der gut organisierten zivilgesellschaftlichen Bewegung, die sich um die internationale Klimapolitik gebildet hat. Schwer wiegt der Vorwurf, dass die Konferenz ausgerechnet in einem Land stattfinde, das selbst ein grosses Interesse an der fortgesetzten Ausbeutung fossiler Ressourcen habe und die Zivilgesellschaft unterdrücke.
Dass die VAE mit Sultan Ahmed al-Jaber ausgerechnet den Geschäftsführer des staatlichen Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company zum Präsidenten der COP ernannten, machte es nicht besser. Umweltverbände protestierten, über 130 Mitglieder des Europäischen Parlaments und des US-Kongresses forderten, ihn zu ersetzen. Jaber betonte wiederholt, er habe den staatlichen Konzern für erneuerbare Energien, Masdar, aufgebaut. Doch die Skepsis ihm gegenüber bleibt.
Streit um Zahlungen
Herausforderungen stellen sich auch in Bezug auf den Inhalt. Der letzte Gipfel in Ägypten 2022 endete mit einer Überraschung: Man entschied, einen «Loss and Damage»-Fonds – einen Geldtopf für klimabedingte Schäden und Verluste – einzurichten. Das forderten die Länder des Globalen Südens seit langem. Die Kernfragen sind: Wie geht man mit den Folgen des Klimawandels um, an die keine Anpassung möglich ist, etwa bei nicht reparablen Schäden durch Stürme und Überflutungen, beim Verlust von Menschenleben oder beim Untergang ganzer Küstenstädte, Inseln und Kulturen? Wer haftet dafür – und wer bezahlt? Im Pariser Abkommen von 2015 wurde «Loss and Damage» zum ersten Mal erwähnt, aber die USA setzten durch, dass daraus keine «Grundlage für Haftung oder Schadenersatz» erwuchs. Denn sie fürchteten – zu Recht – Klagen auf Schadenersatz.
Doch angesichts der immer deutlicher erkennbaren Folgen des Klimawandels und der Schäden, die er hervorruft, nahm der Druck auf die Industriestaaten zu – und führte dazu, dass auf der COP27 in Ägypten die Einrichtung eines Fonds für Klimaschäden zustande kam. Konkrete Vorschläge zu machen, wie dieser aussehen und funktionieren soll, war eine Aufgabe, die die VAE als Vermittler zwischen Nord und Süd gern annahmen. Ein schwieriger Auftrag, denn der Beschluss, einen Fonds einzurichten, löste nicht die kontroversen Fragen, die dahinterstehen: Sollen nur ärmere Länder oder alle, die von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, Gelder erhalten? Wer soll einzahlen? Und was deckt der Fonds ab?
NGOs sind immer schon weiter
Seitdem hat eine Übergangskommission eine Reihe von Vorschlägen beschlossen, die bei der COP28 diskutiert werden sollen. Doch gegen diese laufen NGOs schon jetzt Sturm, weil sie hinter viele ihrer Forderungen zurückfallen – etwa die, dass das Geld direkt an betroffene Gemeinschaften geht und nicht nur an Regierungen, die womöglich korrupt sein könnten.
Auch dass der Fonds übergangsweise bei der Weltbank angesiedelt werden soll, sorgt für Kritik. Denn diese verfolgte jahrzehntelang die Politik, Gelder nur gegen Konditionen wie Privatisierung und Sozialabbau zu vergeben, was in den Augen der Kritiker:innen dazu geführt hat, dass viele Länder des Südens heute so arm sind – und damit anfälliger für die Folgen des Klimawandels. Vertreter:innen der Klimabewegung fordern, dass der Fonds nicht bei der Weltbank angesiedelt bleibt, sondern langfristig eine eigenständige Institution wird oder bei einer anderen Entwicklungsbank mit weniger problematischer Geschichte angesiedelt wird. Und sie warnen davor, dass er sich am Ende als Luftnummer herausstellen könnte.
Eine Schar von Öllobbyist:innen
Als ein weiteres zentrales Thema der COP28 hat sich die Frage herauskristallisiert, ob im Abschlussdokument die fossilen Brennstoffe erwähnt werden und die Notwendigkeit, aus ihnen auszusteigen. Das war, so absurd es scheint, bisher nie der Fall. Während die Uno-Konferenzen über Emissionen, deren Vermeidung und den Handel mit ihnen diskutierten, schwiegen sie jahrzehntelang zur Hauptursache des Klimawandels: der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Das dürfte sicher auch an der Präsenz unzähliger Lobbyist:innen liegen: Mindestens 7200-mal nahmen Vertreter:innen dieser Industrie seit 2003 an Uno-Klimakonferenzen teil, wie eine Studie von «Kick Big Polluters Out», einer Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen, kürzlich zeigte.
Erst 2021 wurde erstmals ein fossiler Brennstoff im Abschlussdokument erwähnt – allerdings «nur» Kohle, die vor allem in ärmeren Ländern genutzt wird und die Industrieländer ohnehin immer weniger abbauen. Über die letzten Monate haben zivilgesellschaftliche Gruppen, Wissenschaftler:innen und betroffene Länder den Druck erhöht, fossile Brennstoffe endlich als das zu benennen, was sie sind: die Hauptursache des Klimawandels.
Derzeit planen sowohl die Golfstaaten als auch die USA und andere Ölproduzenten einen weiteren Ausbau der Förderkapazitäten – und verweisen auf Technologien, die Kohlenstoffdioxid im Verbrennungsprozess und aus der Luft abscheiden und unterirdisch speichern sollen; an diesen umstrittenen Technologien wird derzeit unter anderem in der EU mit viel Einsatz geforscht. Damit werden sich viele Länder des Südens und zivilgesellschaftliche Gruppen aber nicht abspeisen lassen. Die VAE werden sich am Ende der Konferenz auch daran messen lassen müssen, ob sie es geschafft haben, die Ursachen des Klimawandels endlich mit deutlichen Worten in einem Klimadokument zu erwähnen – und diese endlich anzugehen.