Rechtsextremismus: Gefährliches Hufeisen

Nr. 43 –

Anfang des Jahres führte sie eine Demo gegen Coronamassnahmen an, am 1. Mai provozierte sie mit einem rassistischen Banner, und im Juni störte sie einen queeren Gottesdienst: Schon seit einer ganzen Weile agiert die «Junge Tat» immer offener. Der neuste Angriff der Rechtsradikalen erfolgte nun auf eine Vorlesestunde für Drei- bis Zehnjährige.

Die «Drag Story Time» im Zürcher Tanzhaus will Kinder für Diversität und Geschlecht sensibilisieren. Bei der letzten Show Mitte Oktober mischten sich die Neonazis unters Publikum, zündeten vor dem Gebäude Rauchpetarden, schrien Parolen. Am Wochenende verbreitete die Gruppe dann ein Video, in dem sie sich mit ihrer Aktion gegen die «Gender-Ideologie» brüstet. Hinter den beiden verurteilten Neonazis, die sich in der Aufnahme unvermummt zeigen, wird mit einer Aufschrift dem «Waldgänger» gehuldigt – einer Figur des deutschen Schriftstellers Ernst Jünger, auf den sich die Identitäre Bewegung bezieht.

Dass sich die Neonazis im urbanen Raum sicher zu fühlen scheinen, ist nicht zuletzt einer Öffentlichkeit zu verdanken, die deren Denkweise salonfähig macht. So ging der physischen Attacke auf die Vorlesestunde eine verbale voraus: «Aktivistische Ideologen schrecken vor nichts zurück», schrieb die «Weltwoche» Ende September. Auch die NZZ lässt kaum eine Gelegenheit aus, die «Gender-Ideologie» zu verteufeln. Hinzu kommt ein abtretender Bundesrat, der mit seinen Aussagen gegen die «Woke-Kultur» provoziert, oder ein Anwärter auf das Amt, der dem «Transgender-Wahn» den Kampf erklärt. Die Liste hetzerischer Aussagen liesse sich beliebig fortsetzen. Damit werden die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts aussen verschoben.

Zur Verharmlosung rechter Gewalt tragen aber auch jene bei, die diese – getreu der «Hufeisentheorie» – mit linksradikaler Politik gleichsetzen. Ein aktuelles Beispiel ist ein «Tagesschau»-Bericht vom Sonntag, in dem eine antifaschistische Demo in Bern dem Tanzhausangriff gegenübergestellt wird. So erscheinen die Ereignisse bloss als zwei «Extreme», zu denen die «vernünftige» Mitte auf Äquidistanz bleibt – mit der Konsequenz, dass die Anliegen von Neonazis letztlich legitimiert werden.