Ökofaschismus: Sie lieben Pflanzen, um Hass auf Menschen zu propagieren
Zwei Experten für rechtsradikale Bewegungen warnen, dass die Klimakrise einem neuen Faschismus den Boden bereiten könnte.
Egal, wo man in Europa und westlich geprägten Ländern gerade hinschaut: Die Rechten sind auf dem Vormarsch – sie gehen gestärkt aus Wahlen hervor, ihre Kernthemen wie Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit finden angesichts von Klimakrise, Krieg und Migration bis weit in die gesellschaftliche Mitte hinein Anklang. Diese Entwicklung ist brandgefährlich, wie die britischen Wissenschaftler Sam Moore und Alex Roberts in ihrem Buch «Aussen grün, innen braun» herausarbeiten. Die beiden heissen eigentlich anders, sie wollen ihre Familien vor Hass und Hetze schützen, weswegen sie unter Pseudonymen schreiben. Ausserdem betreiben sie den antifaschistischen Podcast «12 Rules for What» – eine gereckte Faust gegen das Gedankengut des Rechtslibertären Jordan Peterson, der seine «12 Rules for Life» auf allen Kanälen verbreitet.
Anschlussfähig an den Kapitalismus
Die Rechten, so die Kernthese von Moore und Roberts, haben die Klimakrise für sich entdeckt. Und schon sind wir mitten im Schweizer Wahlkampf, wo die SVP neuerdings mit dem Slogan wirbt, Zuwanderung zu stoppen, sei eine Frage des Umweltschutzes. In dieselbe Richtung zielt auch ihre sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative. Bei beidem erhält die SVP hinter den Kulissen Unterstützung durch den kolonialistisch-rassistisch argumentierenden Verein Ecopop, wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen.
Moore und Roberts machen deutlich, dass die Rechten ein mystifiziertes, rückwärtsgewandtes Naturbild propagieren, das einerseits den nationalen Charakter der Natur betont und andererseits behauptet, die Natur bringe gewisse «Rassen» hervor, die aufgrund ihrer «natürlichen» Eigenschaften überlegen seien. Die Klimakrise ist in den Augen der Rechten einer «Entartung» der Welt geschuldet, eine Art Rache der Natur, die auf einen apokalyptischen «Endkampf» hinausläuft, der nur mit autoritären Strukturen und totalitärer Herrschaft abgewendet werden kann. Allzu oft ist diese faschistische Ideologie jedoch unter dem grünen Mäntelchen des naturschützerischen Engagements nicht unmittelbar als solche erkennbar. Darüber hinaus – und darauf legen die Autoren besonderen Wert – ist sie anschlussfähig an den Kapitalismus, selbst wenn sie sich im vermeintlich ökologischen Gewand wachstums- und konsumkritisch gibt.
Gut getarnt im Ökolager
Wie der Verbund von SVP und Ecopop deutlich macht, sind Thomas Malthus’ Thesen zur Überbevölkerung erneut salonfähig geworden. Dessen «Essay on the Principle of Population» von 1798 richtete sich sowohl gegen die «Kolonisierten» und «Wilden» wie gegen die «Armen» als Bedrohung der «zivilisierten» Welt. Ende der 1960er Jahre erfuhren seine Thesen in Paul und Anne Ehrlichs Buch «The Population Bomb» eine Neuauflage und verliehen dem westlichen Überfremdungsdiskurs bereits das Etikett einer «Umweltstrategie» – als wäre die Umweltzerstörung an Herkunft und Hautfarbe gebunden statt an Reichtum als wichtigsten Faktor, wie Moore und Roberts lakonisch bemerken.
Der Alarmismus, den Malthus und die Ehrlichs verbreiteten, eskaliert aktuell im Verschwörungsmythos vom «grossen Austausch», der die kommende Apokalypse im demografischen Wandel begründet sieht. «Tötet die Invasoren», schrieb der rechtsextreme Attentäter, der 2019 in Christchurch Dutzende Menschen ermordete, «tötet die Überbevölkerung und rettet dadurch die Umwelt.» Umweltzerstörung wird von ökofaschistischen Gruppen und Bewegungen, zu denen Moore und Roberts auch die Identitären zählen, als eine Form der «Entartung» in alles Mögliche hineinprojiziert – bis hin zu allem, was als «woke» gilt. Auch dazu liefert die SVP mit ihrem neuen Parteiprogramm gegen «Woke-Wahnsinn» gerade eine bittere Kostprobe.
Der Naturbegriff der extremen Rechten, so die Autoren weiter, sei äusserst heterogen und entsprechend breit anschlussfähig, mitunter fallen sogar Linke darauf herein. Es gilt, genau hinzuschauen, wer sich da alternativ gebärdet, sich in Kommunen aufs Land zurückzieht und biologisch-dynamische Landwirtschaft betreibt. Mit dieser experimentierten bereits die Nazis in Auschwitz und Dachau, nun haben die Ökofaschist:innen sie für sich wiederentdeckt. Auf dem politischen Parkett wird mit lokaler Produktion argumentiert, die weniger CO₂-Emissionen verursache, wie es etwa das Rassemblement National in Frankreich tut. Dessen Europaabgeordneter Hervé Juvin lehnt unter dem Schlagwort der «integralen Ökologie» auch alles, was mit Gender oder queer zu tun hat, als quasi wider die Natur ab. Naturvorstellungen, die eng an Männlichkeit, Wildnis, Spiritualität und Ernährung gebunden sind, finden weite Verbreitung in reaktionären Aussteigerkulturen, das illustrieren die Autoren mit zahlreichen Beispielen.
Die Fetischisierung der einheimischen Natur und der Pflanzenwelt, die durch invasive Arten bedroht ist, wird – und das steht im Zentrum des Ökofaschismus – auf die eigene Nation übertragen. Diese sei eine weisse, deren «Reinheit der Rasse» es zu verteidigen gelte. So wird die Einwanderung nach Europa zum «Umweltkrieg», der ein Krieg gegen die «rassifizierten Anderen» ist: «Versenkt die Boote – Rettet die Welt», propagierten Aufkleber der rechtsradikalen britischen Hundred Handers im Duktus der Slogans von Extinction Rebellion.
Wie den Anfängen wehren?
Die Zukunftsszenarien von Moore und Roberts sind düster, gerade weil sie aufzeigen, wie sich die Klimakrise zunehmend mit anderen Krisen wie Migration, Krieg und Pandemien zu verbinden droht. So treffen sich etwa die Wirtschaftsinteressen der Öl- und Gasindustrie auf perfide Weise mit den Anliegen der rechten Umweltbewegungen: Die Konzerne eskalieren den Kollaps der Klimasysteme und bereiten so den Boden für rechtsextreme Projekte. Auch eine Schadensbegrenzung mit sogenannt grüner Technologie sei keine Lösung. Sowohl fossile wie auch grüne Technologie, argumentieren die Autoren, verschärften die globale Ungleichheit weiter, förderten den Überwachungsstaat und stärkten die Macht des Militärs im Kampf um Ressourcen und Abschottung gegen aussen.
Die restriktive Migrationspolitik in Dänemark etwa kam nur zustande, weil die linke Mitte und die extreme Rechte «zueinanderfanden». Überhaupt würden Regierungen, die nach neoliberalen Maximen funktionierten, auf Krisen stets mit einer verschärften Sicherheitspolitik reagieren – um von ihrem politischen Scheitern abzulenken. So sei die europäische Migrationskrise 2015 nicht etwa der grossen Zahl Geflüchteter geschuldet gewesen, sondern der völlig unzulänglichen Finanzierung humanitärer Massnahmen.
Die Autoren schliessen mit dem Appell, sich für Klimagerechtigkeit im umfassenden Sinn einzusetzen – und das bedeutet auch, dass sich die antifaschistische Bewegung stärker mit dem Klimawandel auseinandersetzt und die Umweltbewegungen sich konsequent für Umverteilung und die Ausweitung von Bürgerrechten engagieren.
Sam Moore, Alex Roberts: «Aussen grün, innen braun. Wie Rechtsextreme Klimakrise und Naturschutz für ihre Zwecke benutzen». Aus dem Englischen von Henning Dedekind. Verlag Oekom. München 2022. 208 Seiten. 35 Franken.
Gegendarstellung
In der WOZ vom 9. März 2023 heisst es, dass Ecopop ein «kolonialistisch-rassistisch argumentierender Verein» sei. Diese Behauptung ist falsch. Ecopop hat in seiner ganzen 52-jährigen Geschichte nicht einmal rassistisch oder kolonialistisch argumentiert.
Andreas Thommen, Ecopop, 2. Mai 2023