Klimaerhitzung: Wer trägt die Schuld?

Nr. 45 –

Nach der jüngsten Flutkatastrophe versinkt Pakistan noch weiter in den Schulden. An der Uno-Klimakonferenz verlangen die Länder des Südens, dass die Industriestaaten für die Folgen der Klimaerhitzung zahlen sollen.

Die Flutkatastrophe in Pakistan, die Mitte Juni einsetzte, wird die betroffene Bevölkerung noch sehr lange beschäftigen. Laut der Uno-Koordinationsstelle für humanitäre Angelegenheiten standen viele Gebiete in den besonders betroffenen Provinzen Belutschistan und Sindh noch bis vor wenigen Wochen unter Wasser. 33 Millionen der 230 Millionen Einwohner:innen des Landes waren von den Flutwellen direkt betroffen; 1700 Menschen starben, fast 13 000 wurden verletzt. Inzwischen breiten sich in den entsprechenden Gebieten Malaria, Cholera und Denguefieber aus und fordern weitere Todesopfer.

Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif sprach am Montag an der Uno-Weltklimakonferenz in Scharm el-Scheich von Schäden in der Höhe von 32 Milliarden US-Dollar. Das sind über zehn Prozent von Pakistans Bruttoinlandsprodukt. Das Land ist zum eindrücklichsten Beispiel dafür geworden, was die Klimaerwärmung anrichtet. Nachdem es im Frühling extrem heiss war, setzte der Monsun im Juni mit einer Heftigkeit ein, die das Land so noch nie gesehen hatte. Klimawissenschaftler:innen hatten solche extremen Wetterereignisse seit Jahren vorausgesagt.

Der Norden will nicht zahlen

Pakistans Flutkatastrophe hat dazu beigetragen, dass es das Thema «Verluste und Schäden» (siehe WOZ Nr. 43/22) auf die Traktandenliste der Weltklimakonferenz geschafft hat. Die reichen Industriestaaten hatten die Diskussion, ob sie für die klimabedingten Verluste und Schäden der armen Länder zahlen müssen, jahrelang sabotiert. Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, attackierte am Eröffnungstag die Industrieländer scharf: «Wir sind jene, die mit ihrem Blut, ihrem Schweiss und ihren Tränen die industrielle Revolution ermöglichten; und jetzt sind wir jene, die auch die Folgen dieser industriellen Revolution bezahlen müssen.» Die Entwicklungsländer sind Opfer der Klimakatastrophe, die sie selbst nicht verursacht haben.

«Wir sind jene, die die Folgen der industriellen Revolution bezahlen müssen.»
Mia Mottley, Premierministerin von Barbados

Der Widerstand der Industriestaaten gegen eine Schuldanerkennung dürfte allerdings weiterhin gross bleiben – auch wenn Uno-Generalsekretär António Guterres von einem «moralischen Imperativ» spricht. Fraglich ist zudem, ob die Industriestaaten entsprechende Zahlungen überhaupt ausführen würden. Reiche Länder haben auch sonst dem Süden immer mehr Geld versprochen, als dann tatsächlich floss.

Die Länder des Südens sollten seit 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar vom reichen Norden erhalten, einerseits für Klimaschutzmassnahmen, andererseits für nötige Anpassungen an die veränderten Klimabedingungen. Tatsächlich flossen 2020 jedoch nur 83 Milliarden, ein Grossteil zudem als Kredite. Mit den Krediten würden Projekte wie Wind- und Solarparks gefördert, die Gewinn abwürfen, sagt Delia Berner von der NGO Alliance Sud. «Für Anpassungsmassnahmen hat es dagegen viel zu wenig Mittel gegeben, weil sie nicht rentabel sind.» Die Aufforstung eines Küstengebiets mit Mangroven schütze zwar die Bevölkerung vor Überschwemmungen, doch einen finanziellen Profit erziele man damit nicht. «Es braucht deshalb eine Mindestsumme, die die Industriestaaten für solche Ausgaben aufwenden.»

Berner kritisiert auch die Schweizer Regierung: Denn von den 418 Millionen US-Dollar an öffentlichen Geldern, die das Land 2020 für Klimaprojekte zahlte, seien lediglich 68 Millionen zusätzliche Mittel; die restlichen 350 Millionen stammten aus dem Topf für Entwicklungszusammenarbeit. «Die Schweiz zahlt also fast nichts zusätzlich», moniert Berner.

Die Rolle des IWF

Woher sollen die Industriestaaten die zusätzlichen Gelder nehmen? Uno-Generalsekretär Guterres hat in Scharm el-Scheich auf die fossile Industrie gezeigt. Sie habe sich auf Kosten des Klimas bereichert und müsse höher besteuert werden. Aviel Verbruggen, emeritierter Ökonomieprofessor aus Antwerpen, hat kürzlich anhand von Daten der Weltbank ermittelt, dass das Öl- und Gasgeschäft durchschnittlich jedes Jahr 1000 Milliarden US-Dollar an Profit abwirft. Verbruggen schätzt, dass aufgrund der hohen Energiekosten dieses Jahr die Profite sogar doppelt so hoch ausfallen könnten. Geld wäre also vorhanden.

Tatsächlich sind auch derart grosse Summen nötig, um die Klimaerhitzung zu bekämpfen, wie eine diese Woche veröffentlichte Studie zeigt, die vom bekannten Klimaökonomen Nicholas Stern mitverfasst wurde. Die Entwicklungs- und Schwellenländer – ohne China – bräuchten jährlich weit über 2000 Milliarden US-Dollar für Klimamassnahmen. Besonders viel koste die Umstellung der Wirtschaft weg von fossilen Energieträgern.

Stern verlangt, dass die internationalen Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) bei der Finanzierung eine wichtige Rolle spielen. Tatsächlich verfügen Weltbank und IWF über die nötigen Strukturen. Allerdings haben sich beide Institutionen mit ihren ideologischen Strukturanpassungsprogrammen diskreditiert. Ihr oberstes Ziel ist nach wie vor ein hohes Wirtschaftswachstum unter kapitalistischen Vorzeichen. Kommt hinzu, dass der derzeitige Weltbankchef, David Malpass, ein eigentlicher Klimaleugner ist, der vom früheren US-Präsidenten Donald Trump ins Amt gehievt wurde.

Saudische Hilfe mit Hintergedanken

Wie uneinsichtig der IWF ist, zeigt das Beispiel Pakistan. Das Land ist derzeit mit rund 120 Milliarden US-Dollar verschuldet. Der IWF hatte dem Land im August, also während der Flutkatastrophe, eine weitere Kredittranche im Umfang von 1,1 Milliarden Dollar ausbezahlt. Voraussetzung dafür war jedoch, dass das Land «Reformen» anpacke und etwa Subventionen auf Treibstoff streiche sowie den Stromtarif anhebe. Dem IWF ging es dabei nicht darum, das Energiesparen zu fördern, sondern die Staatsausgaben Pakistans zurückzuschrauben. Die Folge ist nun aber eine noch höhere Inflation, was die Bevölkerung weiter verarmen lässt.

Inzwischen ist der Ölstaat Saudi-Arabien in die Bresche gesprungen. Fast zeitgleich mit der IWF-Zusage hat das Land ein Darlehen von drei Milliarden US-Dollar an die pakistanische Nationalbank erneuert. Saudi-Arabien hat dem Land schon mehrmals mit Krediten aus der Bredouille geholfen. Doch das ist nicht gratis. So hat sich die pakistanische Regierung kürzlich im internationalen Streit um die Senkung der Erdölfördermenge auf die saudische Seite geschlagen – obwohl eine tiefere Fördermenge letztlich noch teureren Treibstoff und eine noch höhere Inflation für das Land bedeuten.

In den kommenden Wochen will der saudische Machthaber Muhammad Bin Salman Pakistan besuchen. Es geht dabei um die Erneuerung eines Investitionsplans im Umfang von 21 Milliarden Dollar, der unter der pakistanischen Vorgängerregierung auf Eis gelegt wurde. Teil des Plans ist der Bau einer 12 Milliarden Dollar teuren Ölraffinerie in der Hafenstadt Gwadar. Dort soll dereinst saudisches Öl zu Benzin verarbeitet werden. Es ist das pure Gegenteil von dem, was Pakistan von seiner fossilen Abhängigkeit wegführen könnte.