US-Midterms: Manche Clowns sind abgewählt

Nr. 45 –

Die Resultate der Midterms 2022 wurden Dienstagnacht in den US-Medien wie immer als sportlicher Wettkampf zwischen den roten Republikaner:innen (R) und den blauen Demokrat:innen (D) präsentiert. Und das, obwohl in diesem ersten nationalen Wahlgang nach dem Sturm aufs Kapitol nicht mehr selbstverständlich war, was überhaupt gespielt wurde und ob beide Teams noch in derselben Disziplin (Demokratie!) unterwegs waren. Immerhin hatte die Mehrheit der republikanischen Kandidat:innen nach Donald Trumps Niederlage Zweifel an der Legitimität der Wahlen und der friedlichen Machtübergabe geäussert.

Die neu erwachte Eigenwilligkeit ist vielleicht der erfreulichste Lichtblick der Zwischenwahlen.

Jetzt haben die Stimmenden am 8. November eine beachtliche Anzahl der extremsten Wahlleugner:innen abgewählt. Das tröstet ein wenig über die Tatsache hinweg, dass die US-Bürger:innen ihre Gunst auch diesmal, trotz allem, was passiert ist, ungefähr hälftig auf die beiden Grossparteien verteilt haben. Das ist allerdings nicht die «rote Welle», die die Rechte erhofft und die Linke befürchtet hat.

Bei den Zwischenwahlen verliert die Regierungspartei in den USA in der Regel etwa 25 bis 30 Sitze im Repräsentantenhaus, eine Handvoll Senatoren und etliche Gouverneurinnenposten. Auf diese Weise strafen enttäuschte Wähler:innen jeweils die Mächtigen ab. Angesichts der gegenwärtigen Inflation und der hohen Lebenshaltungskosten rechnete die republikanische Oppositionspartei dieses Jahr mit einem besonders hohen Sitzgewinn. Ihre Strateg:innen träumten von bis zu 60 zusätzlichen Abgeordneten. Doch in Wirklichkeit sind die Resultate so knapp, dass die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern bei Redaktionsschluss noch nicht feststehen. Im US-Bundesstaat Georgia wird der Senator – Raphael Warnock (D) oder Herschel Walker (R) – wahrscheinlich erst in einem zweiten Wahlgang im Dezember bestimmt werden.

Clowneske rechtspopulistische Kandidat:innen und ein offensichtlicher Trump-Überdruss haben das Ihre zum unerwartet bescheidenen Abschneiden der Republikaner:innen beigetragen. Doch auch der fundamentalistische Abtreibungsentscheid des mehrheitlich rechtskonservativen Obersten Gerichts war ausschlaggebend. Seit letztem Sommer sind ausserordentlich viele Frauen und junge Menschen politisch aktiv geworden. Auch US-Amerikaner:innen, die mit den althergebrachten Labels «demokratisch» oder «republikanisch» nicht mehr viel anfangen können, wollen über für sie wichtige Themen abstimmen können. In Vermont, Kalifornien und Michigan ist das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung neu in der bundesstaatlichen Verfassung garantiert. Existenzsichernde Mindestlöhne, bezahlbare Kinderbetreuung, kostenlose Ausbildung, subventionierte Wohnungen wären weitere solche «Brot und Butter»-Themen für die Linke.

Es gab diesen Herbst erstaunlich viele Urnengänger:innen, die ihre Stimme für ein Sachthema oder eine bestimmte Person abgeben wollten, ohne sich fest für die eine oder die andere Partei zu entscheiden. Diese neu erwachte Überparteilichkeit und Eigenwilligkeit der US-Bürger:innen sind vielleicht der erfreulichste Lichtblick der Midterms 2022.

Der grösste Albtraum dieser Zwischenwahl ist hingegen der politische Triumph des bisherigen und jetzt wiedergewählten republikanischen Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis. Dieser Mann, der in seiner Wahlwerbung behauptete, Gott selber habe ihn zur Führungsfigur gesalbt, will in zwei Jahren Präsident der Vereinigten Staaten werden. «Wir haben nicht nur eine Wahl gewonnen, wir haben die politische Landkarte neu geschrieben», verkündete er nach der Wahl im Pluralis Majestatis.

Mit dem erfolgreichen Testlauf im Bundesstaat Florida startete DeSantis zugleich seine Kampagne für die Präsidentenwahl 2024: eine Fortsetzung des Trumpismus – ohne Donald Trump. Seine Wahlplattform ist zugleich eine Kriegserklärung an den Expräsidenten. Doch es wäre gefährlich, darauf zu zählen, dass sich der Rechtspopulismus selbst zerfleischt.